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Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht

Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht

Titel: Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
Autoren: Emily Kay
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»Es wird aussehen, als wäre ich tot, und das wird nicht wahr sein…«
(aus: »Der kleine Prinz«, Antoine de Saint-Exupéry)

Prolog
    Dresden, 14. Februar 1945. Aschermittwoch.
    Ich saß zusammen mit meinen Eltern und meiner Schwester in der Wohnstube, als gegen 21.45 Uhr der erste Fliegeralarm begann. Wir ließen alles liegen und rannten aus der Wohnung, raus auf den Flur. Dort befanden sich auch schon die restlichen Bewohner des Hauses an der Strehlener Straße 12. Wir rannten mit ihnen hinunter in den Keller und kauerten uns in eine Ecke. Das immer lauter werdende Geheul der Sirenen bedeutete nur eines: Vollalarm! Doch damit nicht genug, um 1.30 Uhr erklangen erneut die Sirenen und das Geschehen wiederholte sich. Raus auf den Flur, runter in den Keller, flach auf den Boden legen. Das dumpfe und immer lauter werdende Summen der Bomber, welches sich zu einem brausenden Sturm verdichtete und die Angstschreie der Kellerinsassen übertönte. Das Licht ging aus, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Krachen in der Nähe unseres Hauses. Der Kellerraum wackelte, wie bei einem Erdbeben. Ich weiß nicht, wie oft sich das Überflogen-werden wiederholte. Wir lagen flach auf dem kalten Kellerboden, hielten uns die Ohren zu und ich betete in Gedanken verzweifelt das »
Vater Unser«
, hoffte auf Gottes Gnade, und darauf, dass unser Gebäude verschont bliebe und wir den nächsten Tag erleben durften. Meine kleine Schwester weinte und drückte sich zitternd an meine Mutter, die sie nur hilflos mit ihrem Körper schützte. Ich hörte das nächste Geschwader kommen, meine Kehle schnürte sich zu und die Todesangst war allgegenwärtig. Der nächste Einschlag schlugmit solch einer Wucht auf, dass das Kellerfenster aufsprang und wir vom gleißenden Licht geblendet wurden. Weitere Einschläge folgten und das Wimmern und Weinen schwoll an. Im Keller war es heiß. Im Hof brannte es. Ich hatte keine Angst mehr, ich erwartete das Ende. Mein Zeitgefühl war mir gänzlich verloren gegangen. Der Angriff erschien endlos. Und dann wurde es still. Es war zwei Uhr morgens, als die Bombardierung endete und die Entwarnung kam.
    »Ich glaube, es ist vorbei«, flüsterte Herr Kress ängstlich, der neben mir auf dem Boden lag und zögernd den Kopf hob. Eine Weile lauschten wir noch in die Stille hinein. Dann war ein erschöpftes Seufzen zu vernehmen und langsam richteten wir uns auf.
    Mein Vater schaute uns angespannt an: »Geht es allen so weit gut? Ich hoffe, niemand ist verletzt?«
    »Nein, niemand ist verletzt«, sagte der alte Mann neben mir, nach einem kurzen Blick in die Runde.
    »Wir haben nochmal Glück gehabt, die Brandbomben wurden ziemlich nah an unserem Haus abgeworfen«, sagte mein Vater ernst und mit einer Denkfalte auf seiner Stirn. »Ich weiß nicht, ob es das Schicksal mit uns beim nächsten Mal wieder so gut meint.« Besorgt schaute er in die Augen der Anwesenden und fuhr mit einer eindringlichen, aber bestimmten Stimme fort: »Wir müssen Dresden so schnell wie möglich verlassen. Zu bleiben bedeutet, freiwillig auf einem Pulverfass zu verweilen.«
    Leises Murmeln war zu hören.
    »Wann ist
so schnell wie möglich
? Wann meinen Sie, wäre der beste Zeitpunkt, um aus Dresden sicher herauszukommen, ohne von einem neuen Angriff überrascht zu werden?«, fragte Herr Kress unsicher.
    »Die Angriffe wurden bis jetzt immer in den Abendstunden oder während der Nacht geflogen. Daher sollten wir morgen bei Tageslicht aufbrechen. Je eher wir gehen, desto weiter sind wir bei der nächsten Angriffswelle weg.«
    Einstimmiges Nicken war die Antwort, nur ich war entsetzt, aber das blieb von den Anwesenden unbemerkt.
    »Dann ist es beschlossen. Bei Tageslicht werden wir aufbrechen. Bis dahin sollten wir noch etwas ausruhen, um bei Kräften zu sein. Ich werde so lange Wache halten.«
    Mein Vater stand in der Mitte des Raumes, eingehüllt in einen dunklen Wollmantel, und wirkte wie Noah, der seine Schützlinge in die rettende Arche führte. Um mich herum legten sich die Kellerinsassen schlafen. Ich war die Einzige, die sitzen blieb und an die Wand starrte.
    »Mach dir keine Sorgen, Elisabeth.« Mein Vater beugte sich zu mir hinunter und strich zärtlich mit seiner Hand über meinen Kopf. »Du wirst sehen, wir kommen sicher aus der Stadt heraus. Dann brauchst du keine Angst mehr zu haben. Ruhe dich ein wenig aus. Ich werde aufpassen, dass dir nichts geschieht.«
    Er schenkte mir ein beruhigendes Lächeln und strich nochmals über meinen Kopf. Ich
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