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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens
Autoren: Catherine Deveney
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möglicherweise verletzen könnte. Wenn Sie das nur verstehen könnten. Wenn Sie nur sehen könnten … Alles könnte anders sein. Ich spüre, wie ich wegdrifte, eindösen will, und habe nicht die Energie, dagegen anzukämpfen. Hammonds Stimme wird eindringlicher.
    »Weil er betrunken war?«, wiederholt er.
    »Ja.« Ich habe alles geregelt. Ich wies meine Mutter an, einen Rollkragenpulli anzuziehen, ehe die Polizei eintraf, um die verräterischen Würgemale zu verbergen. Sie zitterte am ganzen Körper, und der Polizist meinte, sie hätte einen Schock und rief einen Arzt an, der ihr ein Beruhigungsmittel gab. Es blieb mir überlassen, der Polizei den Sturz zu schildern. Sie entnahmen meinem Vater eine Blutprobe und stellten fest, dass er viermal so viel Alkohol im Blut hatte, als der Höchstgrenze für einen Autofahrer entsprach. Kein Wunder, dass er gestolpert war.
    Er erlangte das Bewusstsein wieder, wurde allerdings nie wieder gesund. Er blieb nach dem Sturz gelähmt und konnte kaum mehr sprechen. Ich sagte zu meiner Mutter, nun wären wir endlich befreit von ihm, und versuchte, sie dazu zu bringen, ihn in ein Pflegeheim zu geben. Aber wissen Sie, was mir diese dumme Kuh geantwortet hat? Sie sagte, es sei alles ihre Schuld, und sie liebe ihn und es sei nun ihre Pflicht, sich um ihn zu kümmern. Nun, erwarte ja nicht von mir, dass ich mich auch um ihn kümmern soll, erwiderte ich ihr aufgebracht. Erwarte nicht von mir, dass ich hier wohnen bleibe und dir helfe.
    Wenn das Liebe sein soll, dann kann mir die Liebe gestohlen bleiben. Das Höchste, was man im Leben haben kann, ist Freiheit, frei zu sein von Gefühlen. Das ist auch der Grund, warum ich es so hasse, dass Alex mich derart aus dem Konzept bringt. Keine Spur mehr von Freiheit; nur Abhängigkeit. Genauso ergeht es meiner Mutter. Ich besuche sie manchmal, aber um meinen Vater kümmere ich mich nicht. Er sitzt einfach die meiste Zeit da und brabbelt irgendwas Unverständliches, während ihm der Sabber aus dem Mund läuft. Meine Mutter sieht nur noch müde und erschöpft aus, doch ist sie zugleich überglücklich, weil er nun völlig von ihr abhängig ist und sie sich um ihn kümmern kann, ohne dass er gleich auf sie losgeht. Er tut sein Missfallen kund wie eh und je, aber er ist nun ihr Kind. Er braucht sie.
    Der Arzt sagt, sein Gehirn ist dauerhaft geschädigt, und dass er nicht mehr viel mitbekommt, allerdings bin ich mir da nicht so sicher. Manchmal habe ich das Gefühl, seine schwarzen Augen blicken so gemein und grausam wie früher. Besonders, wenn er mich ansieht. Nachdem ich den Brief bekam, ich sei vom Dienst suspendiert, fuhr ich zu meiner Mutter, um sie zu besuchen. Ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, dass er unserer Unterhaltung lauschte. Ich versuche immer, ihn zu ignorieren, wenn ich mit meiner Mutter rede, tue so, als wäre er ein Gegenstand, irgendein Teil der Einrichtung wie das alte Sofa oder das Poster von New York City, das ich meiner Mutter einmal schenkte und das nun einen feuchten Fleck an der Wand überdeckt. Und dennoch glaube ich, dass er kapierte, was ich ihr erzählte.
    Mein Vater hat immer noch Kraft in den Armen, und ich habe genau gesehen, wie er seine Tasse gegen die Armlehne seines Rollstuhls schlug, während ich mich mit meiner Mutter unterhielt. Laut klirrend ging das Porzellan zu Bruch. Es kam mir so berechnend und aggressiv vor, dass ich keinen Zweifel hatte, dass er die Tasse mit Absicht kaputt gemacht hatte. Die Scherben fielen zu Boden, doch den Henkel hielt er noch in der Hand, wie eine Trophäe, während sich der lauwarme Tee auf seine tristen grauen Jogginghosen ergoss und dann weiter auf den Teppich tropfte. Meine Mutter sprang rasch auf, um ein Geschirrtuch zu holen, und ich wendete mich verzweifelt ab, versuchte, das eiskalte triumphierende Glitzern in seinen schwarzen bösen Augen nicht an mich heranzulassen.
    Hammond sagt, er hat noch einen Patienten, und dass er mich nur in seiner Mittagspause dazwischengeschoben hat. Wir müssen uns strikt an die Zeiten halten, wenn ich seine Patientin werden soll. Es ärgert mich ein bisschen. Er muss doch sehen, dass es sich hier um einen Notfall handelt. Er empfiehlt mir, mich an Sally zu wenden und einen weiteren Termin zu vereinbaren, und ich antworte kühl, dass ich es mir überlegen werde. Anschließend bleibe ich eine Weile im Wagen sitzen, schaue hoch zu seiner Praxis. Ein Teil von mir sagt, ich brauche ihn nicht. Der andere Teil sagt, er ist meine einzige
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