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Die Verbannung

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung
Autoren: Cesare Pavese
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allzu sehr.« »Und was machen Sie jetzt?«
    »Das gleiche wie Sie. Ich vertreibe mir die Zeit. Und ich behalte meinen Vater im Auge, damit seine Maurer ihn nicht reinlegen.«
    »Ihr Vater behält Sie im Auge«, bemerkte Stefano.
    »Jemand behält uns alle im Auge«, sagte Giannino zwinkernd. »So ist das Leben.«
    Als er sein Pfeifchen ansteckte, zog der bläuliche Rauch vor dem Meer vorüber. Stefano folgte ihm mit den Augen, und gedämpf drang Gianninos Satz an sein Ohr:
    »Wir sind arme Schlucker. Das bißchen Freiheit, das die Regierung uns läßt, lassen wir uns von den Frauen auffressen.«
    »Immer noch lieber die Frauen«, sagte Stefano lachend.
Gianninos Stimme wurde ernst.
»Haben Sie schon eine gefunden?«
»Was?«
»Eine … Frau, zum Teufel.«
Stefano schaute ihn spöttisch an.
    »Das ist hier nicht leicht. Außerdem verbieten es die Vorschrifen: ›Kein außerehelicher Verkehr mit Frauen oder sonstige …‹« Giannino sprang auf die Füße. Stefanos Augen folgten ihm interessiert.
    »Soll das ein Scherz sein, Herr Ingenieur? Sie dürfen
keine Frau haben?«
»Ich kann heiraten, das ja.«
    »Oh, dann können Sie auch eine Braut haben.« Stefano lächelte. Giannino beruhigte sich und setzte sich wieder. Der blaue Rauch, der wieder vorüberzuziehen begann, verband Horizont und Himmel und schuf die Illusion einer Schiffsspur.
    »Kommen da nie welche vorüber?« sagte Stefano und deutete auf die offene See.
    »Wir liegen an keiner Route«, sagte Giannino. »Auch wer vorüberfährt, weicht aufs offene Meer aus. Das hier ist ein Vorgebirge mit freiliegenden Felsen. Es ist schon erstaunlich, daß die Eisenbahn hier vorbeifährt.«
    »Nachts macht er einem Angst, der Zug«, sagte Stefano. »Ich höre ihn im Schlaf pfeifen. Wer denkt tagsüber schon an ihn? Aber nachts kommt es einem vor, als stürze das Dach unter ihm ein, als führe er durch ein leeres Dorf und habe Eile fortzukommen. Es ist, wie wenn man im Gefängnis die Trambahn klingeln hört. Ein Glück, daß dann der Morgen kommt.«
    »Sie brauchten jemand, der an Ihrer Seite schläf«,
sagte Giannino gelassen.
Das wäre außerehelicher Verkehr.«
    »Redensarten«, antwortete Giannino. »Der Wachtmeister hat zwei. Jeder Mann hat ein Recht darauf.« »Wir haben die Arbeit, und ihr habt die Liebe, hat Don Gaetano Fenoaltea mir gesagt.«
    »Fenoaltea? Der ist doch ein Narr. Der läßt sich von den Huren das ganze Geld seines Vaters auffressen. Er hat sogar eine kleine dreizehnjährige Magd geschwängert.«
    Stefano verzog die Lippen zu einem Lächeln und erhob sich vor dem bleichen Meer. In diesem Lächeln schwang die Bitterkeit darüber mit, daß er in den ersten Tagen das Dorf für harmlos gehalten hatte. Und es enthielt auch seinen Ekel über die Entdeckung des Schmutzes bei den anderen. Unangenehmer aber als die Tatsache war ihm der spöttische Ton des Erzählers. Er hinderte ihn daran, die Menschen einfach wie arglose Dinge zu lieben.
    Ehe sie sich trennten, bemerkte Giannino seine Unruhe
    und verstummte. Sie verabschiedeten sich an der Tür des Wirtshauses.
    Bei der Heimkehr war Stefano seiner Sache sicher. Zusammengefaltetlag seine Pyjamajacke vielversprechend auf dem Bett.
    Als es dunkel war und der Flickschuster auf dem Hof sein Licht gelöscht hatte, erschien Elena unter der Tür, schloß sie hinter sich und schloß auch die Läden wieder, an die sie sich schwarz, als trage sie Trauer, lehnte. Sie ließ sich drücken und küssen und flüsterte nur, er solle leise sein.
    Ihre Augen in ihrem erschreckten Gesicht waren feucht. Stefano begriff, daß es nicht nötig sein würde zu sprechen und zog sie mit sich. Das verschlossene Zimmer, in dem das Licht brannte, war erstickend heiß.

    Stefano stand vom Bett auf und trat ans Fenster. Die Frau, die mit den Händen über der Brust auf dem Bett saß, stieß einen heiseren Schrei aus.
    »Was gibt's?« fragte Stefano leise. »Mach nicht auf. Man sieht uns.«
    Ihre Haare waren zerzaust, Schweiß stand auf ihrer Oberlippe. Mit einem Satz war sie an der Wand und begann eilends, sich wieder anzuziehen. Ihre bleichen Beine verschwanden unter dem schwarzen Rock. »Jetzt kann ich wohl aufmachen?« brummte Stefano. Mit dem Zeigefinger auf den Lippen, geziert zwinkernd, trat Elena zu ihm. Lächelnd und schmollend schaute sie ihn an und legte ihm die Hand auf die nackte Brust. »Ich gehe«, sagte sie leise.
    »Bleib noch. Es ist so lange her, seit ich eine Frau umarmt habe.«
    Elena lächelte. »Ja, so sollst du
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