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Die Verbannung

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung
Autoren: Cesare Pavese
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Die dürre rote Erde, das Grau der Oliven, die fleischigen Kaktushecken, alles hatte diese Häuser einst bereichert, deren schweigende Leblosigkeit jetzt nur hier und dort die dunkle Magerkeit einer Frau mit dem wilden Leben der Felder und der Geranien erfüllte.
    Im Höfchen traf Stefano die nicht mehr junge Tochter seiner Hauswirtin an, die gravitätisch einen Haufen Kehricht in die Grube fegte. Zu dieser ihm ungewohnten Stunde sah er einige Kinder aus der Nachbarschaf über das Flachdach tollen und spielen. Bei ihrem Geschrei lächelte ihm die Frau müde zu: das tat sie immer, wenn sie ihm begegnete. Sie hatte ein aufgedunsenes aschfahles Gesicht und kleidete sich in ruhiges Schwarz. Verwitwet oder von ihrem Mann getrennt, der mit ihr in einer fernen Stadt gelebt hatte, sprach sie selbst mit diesen Kindern niemals Dialekt. Sie folgte ihm an die Tür des aufgeräumten Zimmers, und Stefano mußte sich umwenden und ihr danken. Nachdem die Frau den Besen abgestellt hatte, blieb sie reglos stehen und wandte ihre Augen nicht von ihm. Das frisch gemachte Bett mit seinen eingesteckten Decken ließ das ganze Zimmer freundlicher erscheinen. »Eines Tages werden Sie weggehen«, sagte die Frau mit ihrer dumpfen Stimme, »werden Sie sich dann noch an uns erinnern?«
    Stefano sah einen Teller mit Kaktusfeigen auf seinem Tischchen stehen. Er schaute so beflissen drein, wie es ihm möglich war, und antwortete irgend etwas. »Man sieht Sie ja fast nie«, sagte die Frau. »Ich wollte ein Buch holen.«
    »Sie lesen zu viel, weil Sie allein sind«, sagte die Frau, ohne sich zu rühren.
    So hielt sie es auch nachmittags immer, wenn sie zu ihm kam, um ihm etwas zu bringen. Lange währendes Schweigen folgte, das die Frau mit ihren Blicken erfüllte, und Stefano fühlte sich zugleich geschmeichelt und verlegen. Die Frau errötete beharrlich, und ihre dumpfe Stimme schwieg, als verspreche sie sich von diesem Schweigen eine süße Lust. Stefano sah dem mitleidig zu.
    »Nein, ich bin doch nicht allein«, sagte er an diesem
    Morgen laut, kam an die Tür, nahm ihre Wangen zwischen seine Hände und zog sie an sein Gesicht. Sein Kuß endete auf ihrem Nacken. Auf dem Dach vernahm man das hastige Gepolter der Jungen. In seiner gleichzeitigen Verwirrung und Tollkühnheit drückte er sie an seine Brust. Die Frau floh nicht, sie preßte sich an seinen Körper; aber sie hatte sich nicht küssen lassen.
    Mit einem Schlag erwachte, unwiderstehlich in dieser Morgenstunde, brennende Begierde in Stefano. Kindlich begann die Frau, ihm über das Haar zu streichen. Stefano wußte nichts zu sagen. Als er ihre Brüste preßte, machte sich die Frau von ihm los, und lächelnd schaute sie ihn bedeutungsvoll an.
    Ihr Gesicht war scharlachrot und verweint. Sie war beinahe schön. Sie begann zu flüstern: »Nicht jetzt. Wenn Sie mich wirklich lieb haben, komme ich wieder. Wir müssen acht geben. Alle schauen auf uns. Auch ich bin allein wie du … Nein: erst, wenn du mich liebhast. Jetzt kommt Vincenzino wieder … laß mich jetzt.« Vincenzino, ein schwarzer Junge, kam mit dem vollen Krug zurück. Stefano half ihm, ihn auf das Fenstersims zu stellen, und suchte nach einer Münze. Aber Elena, die Frau, nahm den kleinen Neffen bei der Hand und ging davon, ohne sich noch einmal umzuschauen.
    Lächelnd warf Stefano sich auf das Bett. Er sah den starren Blick der Frau vor sich. Wieder packte ihn die Begierde, und er sprang vom Bett auf. Daß er zu dieser ungewohnten Stunde hier war, entlockte ihm ein Lächeln, als könne er alles wagen. Dann verließ er das Haus und ging am Strand entlang, um der Frau nicht zu begegnen.
    Wenn man das Meer in Gedanken an andere Dinge betrachtete, war es schön wie in den ersten Tagen. Mit Schaumlippen leckten kleine Wellen nach seinen Füßen. Der glatte Sand leuchtete wie Marmor. Als Stefano eine staubige Hecke entlang wieder zu den Häusern hinaufstieg, stellte er sich vor, an Elenas Stelle hätte ihn das barfüßige Geranienmädchen umarmt und geküßt. »Es müßte schön sein, ihr zu begegnen«, murmelte er, um seine eigene erregte Stimme zu hören, »heute ist ein Tag der Tat.« Er stellte sie sich fröhlich einhertänzelnd vor, mit erstaunten Augen unter ihrer niedrigen Stirn, wild in ihn verliebt. Erschauernd sah er die braunen Spitzen ihrer Brüste vor sich. Im Wirtshaus traf er Vincenzo an, der die Zeitung las. Sie tauschten einen Gruß.
    »Heute ist es wie am Sonntag«, sagte Stefano. »Haben Sie gebadet, Herr Ingenieur? Für
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