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Plasma City

Plasma City

Titel: Plasma City
Autoren: Walter Jon Williams
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    Eine brennende Frau geht um auf den
    Straßen. Zehn Stockwerke hoch ist sie, der nackte Körper ein tosendes Flammenmeer. Die Menschen auf der Bursary Street zerfallen zu Asche, als sie vorbeikommt. Nur verkohlte schwarze Flecken, wie Embryos zusammengekrümmt, bleiben auf dem Boden zurück. So gewaltig ist die Hitze, dass sogar die Gebäude in der Nähe zu brennen beginnen. Ein Tornado aus Papieren, von umeinander wirbelnden Luftströmen aus den Häusern gesogen, wandert der Flammenfrau entgegen und wird verschlungen. Feuerströme ergießen sich aus ihren Fingerspitzen. Fenster zerplatzen, als sie aus körperloser, brennender Kehle einen grausigen, grässlichen Schrei ausstößt.
    In der Stadt, die den ganzen Planeten umspannt, ist ein Großbrand das Schlimmste, was man sich vorstellen kann.
    Aiah hört den Lärm als Erste, der Schrei jagt ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Erschrocken sieht sie aus dem Fenster der Kantine. Die Frau verschwindet gerade an der Avenue of the Exchange um die Ecke. Im Glas des Bursary Building und der Old Intendancy gespiegelt, ist die Erscheinung noch einen Augenblick dreifach zu sehen, und einen schrecklichen Moment lang blickt Aiah in drei brennende, gequälte Gesichter gleichzeitig, in drei leere, glühende Augenhöhlen, in denen sie einen letzten menschlichen Ausdruck erkennen kann, ein Flehen um Hilfe und Erlösung von den Schmerzen …
    Aiah dreht sich um und rennt weg, aber das Fenster wird eingedrückt und ein heftiger Windstoß versengt ihr den Nacken und wirft sie zu Boden. Im gleichen Augenblick hört sie den ersten Schrei von Tellas Baby. Irgendwo klingelt ein Telefon, das wohl niemand abnehmen wird …
    Das Kreischen der brennenden Frau ist ansteckend, auch Aiah schreit jetzt.
     
    Plasmaleck Klasse A im Bankenviertel
    134 Tote, 2000 Verletzte
    Plasmabehörde kündigt Untersuchung an
    Einzelheiten im Wire!
     
    Als die Rolltreppe Aiah aus der Pneumastation entlässt, laufen die Worte aus flüssigem Silber über den Himmel und berichten ihr, was sie längst weiß. Auf den ausgetretenen Metallstufen der Rolltreppe liegen Aschehäufchen. Menschliche Körper, auf ein paar Prozent des früheren Volumens reduziert.
    Oben treibt ein kalter Wind die schwarze Asche in die Schleusentüren der Gebäude.
    Ist Ihre Familie gut versorgt? Sind Sie ausreichend versichert? Aktualisierte Werbesprüche, diesmal nur an das Publikum in der unmittelbaren Umgebung gerichtet, laufen in Spiegelschrift über die goldenen Glasflächen des Bursary Building. Versicherungsvertreter bieten an eilig aufgebauten Ständen auf dem Gehweg ihre Produkte an.
    »Ist Ihre Familie gut versorgt, Lady?«, fragt einer. »Sie wollen doch sicher mal einen Haufen Kinder kriegen, oder?«
    Genau. Barkazil-Frauen sollen ihr Leben damit verbringen, ein Kind nach dem anderen zu bekommen. Aiah mummelt sich in die Jacke ein und geht zum neuen Lotterieverkäufer, der in einem provisorischen Verschlag sitzt.
    Der alte Lotterieverkäufer ist mit seiner Bude zu Asche verbrannt. Aiah hat in den letzten drei Jahren an jedem Arbeitstag ein Los bei ihm gekauft. Sie weiß nicht einmal, wie er hieß.
    Heulend fährt ein Polizeimotorrad vorbei. Glas knirscht unter ihren Füßen, als Aiah durch die Börse zum Sitz der Plasmabehörde mit der gezackten Bronzekrone und den klaffenden Fenstern geht. Aufs Pflaster sind weiße Kreise gemalt, jeweils mit einem Häufchen Ruß in der Mitte. Jeder Kreis ein Todesfall, jeder Kreis ein verbrannter Mensch. Die Tauben lassen schon die ersten Häufchen darauf fallen.
    Sie weiß, was sie im Büro erwartet. Tellas schreiendes Kind, der Geruch schmutziger Windeln, abgestandener Kaffee in der nach Schimmel riechenden Teeküche, deren kaputtes Fenster mit Plastik gesichert ist. Auf dem Schreibtisch das Eingangskörbchen mit der unvermeidlichen Nachricht, weil sie sich vor drei Monaten zum Katastrophenschutz gemeldet hat, um bei den Vorgesetzten ein paar Punkte zu machen.
    Wenn sie die Nachricht beantwortet hat, wird sie lange Stunden in eisiger Kälte damit verbringen, unter Tage nach Plasma zu suchen, das ihr nie gehören wird.
    Wieder laufen Worte über den Himmel. Snap! Das Getränk für die Welt. Danach das grün-weiße Snap-Zeichen. Eine Menge Geld würde man brauchen, um alles zu kaufen, was zum Schichtwechsel am Himmel angeboten wird. Mehr als sie je verdienen wird.
    Lautlos zieht ein Luftwagen zwischen Aiah und der Getränkereklame vorbei, offenbar vom Dach der Börse
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