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Die Verbannung

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung
Autoren: Cesare Pavese
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jedesmal von neuem verwundert.
    »Herr Ingenieur, Sie brauchen nicht jeden Tag zu kommen. Wir wissen, daß Sie nicht fliehen wollen.« Er machte große Augen und mit der Hand eine kreisende Bewegung.
    »Dann schicken Sie mir die Post also nach Hause?« fragte Stefano.
    Der Sekretär erhob die Hände zum Zeichen seiner Verzweiflung.
    Auf dem steinigen Sträßchen zwischen Kirche und Rathaus begegnete man nicht selten dem Wachtmeister. Stefano trat grüßend zur Seite, und manchmal blieben sie zu einem Schwatz stehen. Schwarz gebrannte Bauern in schmutzigweißen Strümpfen gingen vorüber, zogen ihre Mütze und schauten zu Boden. Stefano nickte ihnen zu. Unbeweglich hob sich der Lockenkopf des Wachtmeisters vor dem Meer ab. »Sie verstehen also nichts von der Gärtnerei?« sagte er nach langem Schweigen. Stefano schüttelte den Kopf.
    »Die Pfirsichbäume gehen mir ein.« »Sie haben doch sicher viele.«
    Der Wachtmeister schaute um sich. »Das ganze Spalier hinter der Kaserne. Der Häfling, der mich beriet, hat seine Strafe abgesessen. Herr Ingenieur, gehen Sie ruhig mit Giannino Catalano auf die Jagd. Können Sie schießen?«
    »Nein«, sagte Stefano.
    Gianninos Dasein verhalf ihm dazu, sich nicht als Elenas Sklave zu fühlen, und verlieh den Stunden des Wartens im Wirtshaus und seinem Geplauder mit den anderen einen Sinn. Wenn er das Haus verließ, wußte er, daß er auf den Straßen Überraschungen, Unstimmigkeiten und Sympathien begegnete, durch die das ganze Dorf eine deutlichere Gestalt und eine eigene Perspektive gewann. Die weniger wichtigen Personen traten in den Hintergrund zurück, wie es nach den ersten Tagen mit dem Land und dem Meer geschehen war. Aber sehr bald gewahrte Stefano, daß das Spiel dieses Lebens sich rasch wie ein Trugbild verflüchtigen konnte, das es schließlich auch war.
    Gaetano Fenoaltea hatte es mißtrauisch mitangesehen, wie Giannino Stefano offensichtlich Gesellschaf leistete, und hatte wohl auch verstanden, daß etwas vorging, das man ihm verheimlichte. Stefano konnte sich davon am nächsten Tag überzeugen, als er gemeinsam mit ihm zum alten Dorf hinaufstieg. Gaetano hatte ihn untergehakt und hatte ihm gesagt, man feiere Maria Geburt und der Wachtmeister erlaube, daß er mit ihm dort hingehe. »Das ganze Dorf geht hin. Und Sie kommen mit mir. Dort oben bekommen Sie ein paar schöne Frauen zu sehen.«
    Der Hügel war ein richtiger Ölberg, aschenfarben und versengt. Von seinem Gipfel aus hatte Stefano das Meer und die fernen Häuser betrachtet. Von dem ganzen Ausflug hatte er vor allem die Illusion davongetragen, sein Zimmer und Elenas Körper und der alltägliche Strand stellten eine so winzige und unsinnige Welt dar, daß es genügte, den Daumen vor ein Auge zu halten, um sie gänzlich verschwinden zu lassen. Und doch enthielt diese sonderbare Welt, von einem noch sonderbareren Ort aus betrachtet, auch ihn selbst. Am nächsten Tag genoß Stefano, als er dasaß und eine Zigarette rauchte, die ungewohnte Müdigkeit von dem nächtlichen Abstieg vom Berg, die seinen Körper noch wollüstig beschwerte. Seit langer Zeit war er nicht mehr bei Sternenschein über Land gegangen. Der ganze Berg hatte zu dieser Stunde von kleinen sich herzlich gebärdenden Gruppen gewimmelt, die sich gegenseitig an den Stimmen erkannten, die schrien oder in der Nacht über das Gestrüpp stolperten. Vor und hinter ihnen stiegen die Frauen hinunter, die redeten und lachten. Jemand versuchte zu singen. An den Wegbiegungen blieb man stehen und ging zu einer anderen Gruppe hinüber.
    Im Wirtshaus saßen Vincenzo, Gaetano und die anderen, die zu der Gesellschaf gehört hatten. Man lachte über den Zöllner, der den hiesigen Wein nicht gewohnt war, sich schlimmer als ein Tier aufgeführt hatte und vielleicht zur Stunde noch in einem Graben schlief.
    »Ihr seid so engherzig«, sagte Stefano, »bei uns betrinken sich alle.«
    »Haben Sie sich amüsiert, Herr Ingenieur?« fragte jemand mit schriller Stimme.
    »Er amüsiert sich nicht, weil ihm die Frauen nicht gefallen«, sagte Gaetano.
    Stefano lächelte. »Frauen? Ich habe keine gesehen. Falls ihr unter Frauen nicht diese Röcke versteht, die miteinander unter den Augen des Pfarrers tanzten. Mit Männern tanzen sie wohl nie?«
    »Das war doch kein Hochzeitsfest«, antwortete Gaetano.
    »War keine Ihnen sympathisch?« fragte der kahlköpfige Vincenzo.
    »Ja, lassen Sie hören. Wer war die schönste?« fragte Gaetano interessiert.
    Alle sahen Stefano an. Der und
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