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Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig

Titel: Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig
Autoren: Lewis Harris
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sich über das Krankenhausbett. »Schau mich doch bitte mal an, Stephanie.« Er leuchtete mir mit einer hellen Stiftlampe erst ins eine, dann ins andere Auge, schaltete sie aus und schob sie wieder in die Jackentasche. »Ist das unangenehm?« Seine Hände glitten prüfend von meiner Stirn zum Oberkopf.
    »Au«, rief ich und zuckte zusammen.
    Trottel.
    »Kannst du für mich bitte mal Finger und Zehen bewegen, Stephanie?«
    Der Arzt sah zu, wie ich mit finsterem Gesicht tat, worum er mich gebeten hatte. Über seiner Schulter tauchte Dads besorgtes Gesicht auf.
    »Mir geht’s gut, Dad«, krächzte ich und kniff wegen des anhaltenden Pochens im Kopf ein Auge zu. Der Schmerz war wie der Kältekopfschmerz, den ich manchmal beim Eisessen bekam.
    »Ich denke, es besteht kein Anlass zur Sorge, Mr
Grimm«, sagte der Arzt und notierte etwas auf einem Klemmbrett. »Junge Leute vertragen Stürze einfach viel besser als wir Erwachsene. Ein fieser Schlag auf den Kopf und vermutlich einige blaue Flecken - aber gebrochen ist nichts. Wir lassen sie am besten über Nacht im Krankenhaus, bloß um sicher zu gehen.«
    Moms leuchtende Augen tauchten wieder vor meinem Gesicht auf. »Was ist nur passiert, Stephanie?«
    »Äh...« Ein groß gewachsener Mann, der ruhig und unsichtbar an der Wand gestanden hatte, trat vor. Er schien fast aus dem Nichts gekommen zu sein. »Dürfte ich ein paar Fragen stellen, Doktor? Mr Grimm?« Er hatte ein schmales Gesicht und einen kratzig wirkenden Oberlippenbart und versuchte zu lächeln, was ihm aber nicht recht gelang.
    Dad war verärgert über die Störung. Die meisten Menschen merken es nicht, wenn mein Vater ärgerlich ist - auch weil das so selten vorkommt (er hat früher meditiert). Doch sein linkes Auge wird dann schmaler als das rechte, und das Lid zuckt nasenseitig ein wenig. Und wenn das geschieht, pass auf! Es geschah nun, als er sich zu dem großen Mann umdrehte, von dem ich irgendwie schon wusste, dass er Polizist war. Er knurrte: »Meine Tochter ist gerade im Krankenhaus aufgewacht. Halten Sie das wirklich für den richtigen Moment, um Ihre Fragen zu stellen? Haben Sie einen Sohn oder eine Tochter? Erschiene
Ihnen das als der geeignete Augenblick, wenn es um Ihre Familie ginge?«
    Sogar Mom schaltete sich ein, und ihr Mund wurde zu einem strengen Strich in der unteren Gesichtshälfte. »Ich muss meinem Mann beipflichten. Wir helfen Ihnen gern, falls wir können, aber ich denke, Ihre Fragen haben Zeit bis morgen.«
    Der Polizist nickte, fuhr aber dennoch fort, wobei er erst Mom, dann Dad und schließlich mich ansah. »Ich verstehe - und ich teile Ihre Bedenken -, aber ich wäre nicht hier, wenn es nicht dringend wäre. Wir haben mit ein paar sehr mitgenommenen, eingeschüchterten Kindern zu tun, zu denen auch die vermissten Mädchen gehören, die plötzlich wieder aufgetaucht sind. Ich habe eine Leiche in einem Auto, ein in die Luft gesprengtes Haus und Ihre Tochter, die aus einer Kühltruhe im Flint River gefischt wurde.« Seine harten Augen musterten mich kühl, ehe er sich wieder an meine Eltern wandte. »Ich denke, wir können uns darauf verständigen, dass ich Stephanie wenigstens ein paar Fragen sofort stellen muss. Gut möglich, dass einige gefährliche Leute frei herumlaufen, von denen wir erfahren müssen.«
    Nicht mehr, dachte ich.
    Ich hob die Hand und drückte vorsichtig die Beule auf meinem Kopf. Dumpf pochender Schmerz ließ mich blinzeln. So benommen ich war, wusste
ich doch, dass ich mich diesem Polizisten gegenüber vorsichtig ausdrücken musste. Über die Auseinandersetzung mit Miss Larch hatte ich nicht weit hinausgedacht (genau genommen gar nicht). In welchen Ärger konnte ich hier geraten? Wahrscheinlich in Berge von Schwierigkeiten.
    Der Polizist trat an mein Bett, legte mir die Hand fest auf die Schulter und schaute meinen Vater an, um sich zu vergewissern, dass das in Ordnung war. Dann setzte er ein falsches Lächeln auf und sah mich mit grauen Augen und ernstem Gesicht an. »Stephanie«, sagte er, »was ist heute Abend passiert?«
    Ich hatte nun wirklich genug von diesem Stephanie-Zeug. Also setzte auch ich eine geheuchelte Miene auf, Fassungslosigkeit nämlich, in die ich sicherheitshalber noch eine Prise Verwirrung und Traurigkeit mischte. Ich drückte die Beule auf meinem Kopf und fuhr zusammen. »Ich habe nicht die mindeste Ahnung«, log ich.

Vierundzwanzigstes Kapitel

    Nachdem ich aus dem Krankenhaus heimgekehrt war, stellte ich fest, dass ich Hausarrest
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