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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu
Autoren: Martin Rupps
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verdrängten oder gar negierten. Sie tat sich mit dem Verständnis für die Sorgen und Nöte der befreiten Geiseln schwer.
    Auch die Deutsche Lufthansa erlebte mit der »Landshut«-Entführung die bislang größte Herausforderung ihrer Unternehmensgeschichte. Sie gehört zu den angesehensten Airlines der Welt, das war Ende der siebziger Jahre nicht anders als heute. Ihr Bemühen um Flugsicherheit wirkte schon immer vorbildlich. Sie konnte aber nicht mehr tun, als die technische Sicherheit für die eigene Flotte zu gewährleisten. Für mangelhafte Fluggastkontrollen auf spanischen Flughäfen, die 1977 allseits bekannt waren, trug sie keine Verantwortung. Und noch weniger für den Krieg der Roten Armee Fraktion gegen Staat und Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland.
    Wie spätere Ermittlungen ergaben, bestanden die vier Entführer der »Landshut« in Reisebüros darauf, einen Lufthansa-Flug zu ­buchen, alternative Ticketangebote für nichtdeutsche Airlines lehnten sie ab. So zogen sie die deutsche Fluggesellschaft gewaltsam in 22 ihr Vorhaben hinein. Mit der Aktion befand sich eine entführte ­Maschine tagelang im Blickpunkt der Medien. Die herumirrende »Landshut« nahm den Kranich, das Emblem des Unternehmens, auf dem Leitwerk überallhin mit. Die Entführer machten die Deutsche Lufthansa genauso zu ihrem Faustpfand wie die Passagiere selbst. Ihre Rechnung, dass überwiegend deutsche Passagiere in der Maschine einer deutschen Airline sitzen würden, ging auf. Deutsche Geiseln in der Maschine einer deutschen Airline waren für eine deutsche Bundesregierung eine besonders schwere Bürde. Und für den Fall einer Katastrophe ein besonders schwer zu leistendes Opfer.
    Die Lufthansa hatte immerhin den schwierigen Spagat zu bewältigen, einerseits den guten Ruf als sichere Airline wiederherzustellen, der durch die »Landshut«-Entführung gelitten hatte, andererseits die ihr aufgedrängte Rolle des politischen Akteurs auszufüllen.
    Den Geiseln stand nach ihrer Befreiung nicht der Sinn nach solchen Analysen. Sie erinnerten sich daran, dass sie die Entführung auch der Wahl dieser Airline ›verdankten‹. Einige Betroffene erhoben Ansprüche auf Schadensersatz direkt bei der Lufthansa. Wie reagierte die Fluggesellschaft auf solche Forderungen?
    In das Leben der Geiseln traten vom 18.   Oktober 1977 an weitere Akteure, mit denen sie bislang keine Berührung gehabt hatten: Journalistinnen und Journalisten von Presse, Radio und Fernsehen. Die »Landshut«-Entführung kann als eines der ersten traumatischen Erlebnisse in der Geschichte der Bundesrepublik gelten, deren Verlauf durch eine zu dieser Zeit schon vielfältige Medienlandschaft minutiös und in Echtzeit begleitet, dokumentiert und kommentiert wurde – neben den beiden Fernsehprogrammen ARD und ZDF berichteten Wochenzeitschriften und Tageszeitungen mit großem Aufwand darüber. Zugleich interessierte sich die Weltpresse dafür.
    Die Öffentlichkeit wurde so zu einem Akteur im Leben der Geiselopfer. Vor dem Besteigen der »Landshut« am 13.   Oktober 23 1977 waren nur wenige von ihnen prominent gewesen, so Boxpromoter Hans Hasse-Heyn oder Horst-Gregorio Canellas, der als Präsident des Fußballvereins Kickers Offenbach einen Bundesliga-Bestechungsskandal aufgedeckt hatte. Plötzlich fanden sich auch eine 23 -jährige Stewardess mit dem Namen Gabriele Dillmann oder die 36 -jährige Friseurin Jutta Brod im Licht der Öffentlichkeit wieder. Wie verkrafteten diese Menschen ihre plötzliche Prominenz? Was hat sie aus ihnen gemacht? Hat sie ihnen geschadet oder auch genutzt? Von diesen Fragen wird das Buch ebenfalls handeln.
    Die Kehrseite der öffentlichen Rolle ist das private Leben der Opfer mit ihren Angehörigen, ihren Ehepartnern und Ehepartnerinnen, Töchtern und Söhnen, Freundinnen und Freunden. Nichts ist nach einem traumatischen Erlebnis, wie es die »Landshut«-Entführung bedeutete, mehr wie zuvor, auch die Freundschaften und persönlichen Beziehungen nicht. Das Buch geht der Frage nach, wie die Entführung das private Leben der Opfer verändert hat.
    »Was hat die Zeit mit uns gemacht?«, der Titel eines Liedes von Udo Lindenberg, steht als Motto über diesem Buch, das vom Weiterleben und Überleben der Frauen und Männer erzählt, die vor 35 Jahren Opfer einer Flugzeugentführung geworden sind. Was haben andere mit ihnen und was haben sie selbst mit sich gemacht? Was hat die Zeit mit ihnen gemacht?
    Ich möchte an dieser Stelle zweierlei
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