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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu
Autoren: Martin Rupps
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klarstellen: Es geht in diesem Buch nicht um die Suche nach Schuldigen. Ohne Zweifel haben alle Akteure – Politiker, Mitarbeiter der Lufthansa, Journalisten, Ärzte, Psychologen, Angehörige von Geiseln und letztlich die Geiseln selbst – jeweils in ihren Rollen nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Dabei gingen sie mal mehr, mal weniger glücklich vor. Es gibt, was die Geschichte der »Landshut«-Befreiten angeht, nicht den »bösen Buben«, der nach 35 Jahren publizistisch an den Pranger gehört. Ich stelle mich zum Beispiel nicht pauschal auf die Seite der Opfer, denn bei aller Belastung, die sie 24 aus dem traumatischen Erlebnis davontrugen, hatten sie nach der Rückkehr die Freiheit, über ihr weiteres Tun eigenverantwortlich zu entscheiden.
    Nein, es geht nicht um Schuldzuweisungen, es geht zunächst um die Darstellung von Fakten, um die in möglichst vielen Facetten zu dokumentierende Geschichte nach und infolge von »Mogadischu«. Das bedeutet allerdings auch, aber nicht in erster Linie, eine Frage nach Verantwortlichkeiten. Wer trug seinerzeit Verantwortung und hat dabei gute Arbeit geleistet, und wer hat in der ihr oder ihm übertragenen Aufgabe versagt?
    Das Zusammentragen der Fakten gestaltete sich – das sei in diesem Zusammenhang erwähnt – schwieriger, als es angesichts der vielen Publikationen in den letzten 35 Jahren erscheinen mag. Viele Dokumente sind nicht mehr auffindbar oder werden noch nicht publiziert (s. Anhang). Erschwerend kommt hinzu, dass »Mogadischu« nicht nur als historisches Ereignis, sondern auch als Mythos überliefert ist, an dem manche Autorinnen und Autoren mal freiwillig, mal unfreiwillig weitergeschrieben haben. Zum Beispiel geistert durch alle Darstellungen der Hinweis, englische Elitesoldaten hätten sich an der Befreiungsaktion in Mogadischu mit damals neuartigen Blendgranaten beteiligt, um die Entführer zu Beginn der Stürmung für Sekunden außer Gefecht zu setzen. Ein Augenzeuge auf dem Flugplatz, der damalige Lufthansa-Kopilot Rüdeger von Lutzau, ist davon überzeugt, keine Blendgranaten gesehen zu haben, sondern nur ein Feuer, das Somalis zur Ablenkung der Entführer angezündet haben. Der damalige GSG - 9 -Kommandeur Ulrich Wegener sagte Jahre später in einem Interview, die Blendgranaten seien nicht im Inneren der Maschine eingesetzt worden. Im Gespräch mit dem Autor präzisiert er, dass er den von der britischen SAS -Einheit angebotenen Einsatz der Granaten im Inneren der Maschine wegen zu hoher Brandgefahr abgelehnt habe, sie seien nur außerhalb der Maschine gezündet worden.
    Auch viele Schilderungen aus der entführten Maschine können nicht als historisch gesichert gelten. Passagiere und Crew der ent 25 führten »Landshut« befanden sich in einer traumatischen Situation, was die Wahrnehmung und Erinnerung an Ereignisse beeinflussen kann. Fragt man frühere Geiseln nach einem bestimmten Ereignis, zeigt sich häufig, dass die Erinnerungen daran sehr unterschiedlich oder gar nicht vorhanden sind.
    Die Beschäftigung mit Lebensläufen geschieht, auch das soll vorab angemerkt werden, nicht in voyeuristischer Absicht. Ein Fußballprofi muss hinnehmen, dass seine Affäre mit einem minderjährigen Mädchen öffentlich erörtert wird; und ein Bundespräsident muss akzeptieren, dass seine Urlaubsreisen in Häuser von Freunden und die Konditionen seines Hauskredits hinterfragt werden. Für die Frauen und Männer, die einmal Opfer einer Flugzeugentführung geworden sind, liegt die Latte des Persönlichkeitsschutzes viel höher. Was ich hier aus den Biographien der Opfer mitteile, stützt sich auf ihre eigenen Aussagen in Presse und Rundfunk, auf eigene Interviews mit Beteiligten sowie auf Gespräche mit Angehörigen und Freunden verstorbener Geiseln. Ich schreibe an keiner Stelle in der Absicht zu »enthüllen«; vielmehr leitet mich der Wunsch, aus den Lebenswegen von Opfern zu erzählen, um auf deren Schicksal aufmerksam zu machen, das zugleich so eng mit der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte verknüpft ist.
    Wo sich Opfer und Angehörige von Opfern selbst an die Öffentlichkeit wandten, um ihre Sicht der Dinge darzustellen, er­laube ich mir jedoch eine eigene Perspektive. So etwa im Fall des bis heute nicht restlos aufgeklärten kurzzeitigen Verschwindens von Flugkapitän Jürgen Schumann in Aden, das insbesondere die ­Witwe Monika Schumann über viele Jahre hin beschäftigt hat. Nicht nur für sie, auch für den Kopiloten in der
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