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0159 - Der Engel, der ein Teufel war

0159 - Der Engel, der ein Teufel war

Titel: 0159 - Der Engel, der ein Teufel war
Autoren: Martin Eisele
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»Ich warte, Cyrill!«
    Sie sagte es ganz ruhig, beinahe sanft. Dennoch schnitt ihre Stimme wie ein glühendes Messer durch die Finsternis. Der Wind jaulte und säuselte lauter. Irgendwo raschelte Laub über den Boden.
    Cyrill Yorks Angst explodierte, wurde zu reißender Panik!
    »Du – du bist der Teufel!« flüsterte er tonlos.
    Sie lachte!
    Es war grausam!
    Die ganze Bosheit und Grausamkeit der Hölle schwang darin, hallte in Cyrill Yorks Ohren, blähte sich auf, hallte, dröhnte.
    Cyrill York hielt sich die Ohren zu, sein massiger Körper wand sich und zuckte, als würden fürchterliche Hiebe auf ihn herunterprasseln.
    »Nicht!« stieß er röchelnd hervor. »Nicht! Lavinia, du weißt doch, daß ich - daß ich aufgebe! Hörst du, ich gebe auf! Ich gebe auf!« Seine Stimme erstarb in einem Wimmern.
    Sie ging nicht darauf ein.
    Abrupt verstummte ihr Lachen.
    »Ich der Teufel? Weißt du das so genau, Cyrill?« hauchte sie.
    »Du –« Er schluchzte und schwieg.
    »Angenommen, ich bin wirklich der Leibhaftige…«, fuhr sie honigsüß fort. »Angenommen, ich bin wirklich der Teufel. Warum hast du dann versucht, mich zu hintergehen? Hast du nicht gewußt, daß man den Teufel nicht hintergehen kann?«
    »Lavinia…«, gurgelte er verzweifelt. Seine Stimme war kaum mehr als die seine zu erkennen. Hell und schrill und brüchig war sie.
    »Warum gibst du mir keine vernünftige Antwort, Cyrill? Du bist doch ein Mann. Ein Bulle von einem Kerl. Darauf warst du doch immer so stolz. Weißt du nicht mehr?« Der Spott machte alles nur noch viel schlimmer, und sie wußte es.
    Lavinia wußte immer, was sie tat. Cyrill York keuchte. Die unsichtbare Hand an seiner Kehle machte ihm mächtig zu schaffen.
    Die Aufregung raubte ihm den Atem. Seine Lungen brannten. Er bekam nicht genug Luft.
    Aber er wagte es nicht, sie zu bitten, den Griff zu lockern. Noch immer hielt er seinen Kopf gesenkt. Seine Blicke bohrten sich in den lehmigen Boden; eine schmierige Masse war es, hier und da gab es ein paar armselige Grasbüschel. Der Regen hatte alles in einen Dreckpfuhl verwandelt. Die Bäume und Büsche, die die kleine Lichtung umringten, verströmten einen intensiven Geruch nach Nässe und durchweichtem Holz.
    Ihm aber kam es vor wie Grabesluft.
    »Armer Cyrill…«, hauchte sie.
    Auf Händen und Knien rutschte er zurück. Er hatte eine Wahnsinnsangst. Sein Rücken tat weh. Er war eine derartige, demütigende Haltung nicht gewohnt. Noch nie in seinem Leben war er zu Kreuze gekrochen.
    »Bleib, wo du bist, sonst…«
    Er erstarrte.
    Eisenhart hämmerte sein Herz gegen seine Rippen. Verrückt.
    Für eine paar Sekundenbruchteile hatte er geglaubt, daß sie ihn laufen lassen würde. Er war ein Narr. Natürlich würde sie ihn nicht laufenlassen. Der Schweiß bildete eine zweite, klebrige Haut.
    »Habe Erbarmen, Lavinia! Ich gebe auf, ich werde es nie wieder wagen, deine Befehle zu mißachten. Ich hab’ meine Lektion gelernt, ich tu’ alles, was du von mir willst! Guter Himmel…«
    »Still!« fauchte sie. »Sprich diese Worte nie wieder in meiner Gegenwart aus, hörst du?«
    »Ja, natürlich, Lavinia. Ich tue alles, alles bloß: laß mich leben. Bitte!« Plötzlich war seine Stimme tränenerstickt, ein klägliches Flehen lag darin. Der massige Körper zuckte konvulsivisch.
    »Du hast versucht, mich zu betrügen«, stellte sie wieder fest.
    »Ja, aber ich bereue es, Lavinia! Wie oft soll ich es denn noch sagen? Ich bereue es!«
    »Du wolltest Macht! Die Macht, die mir zusteht! Mir!«
    Er schluchzte, hob seine dreckverkrusteten Hände. »Bitte…«, keuchte er. »Eine Chance, Lavinia, gib mir nur noch eine einzige Chance!«
    »Elender Feigling!« Ihre Stimme war zu einem gefährlichen Zischen geworden; ihre Beherrschung abgebröckelt. Cyrill York spürte, wie die unsichtbaren Krallenhände an seiner Kehle zupackten, wie der eiserne Griff noch fester, noch unbarmherziger wurde. Die Luft wurde ihm förmlich abgeschnitten. Yorks Hände kamen fahrig hoch, versuchten, den Würgegriff zu lockern, aber das war unmöglich!
    Seine Hände fuchtelten herum, aber sie fanden keinen Halt!
    Dennoch waren die Krallenhände da! Und sie drückten noch härter zu!
    Cyrill Yorks mächtiger Brustkasten bebte, ruckte unter verkrampften Atemzügen, sein Schädel wurde von den unsichtbaren Händen hoch- und in den Nacken gedrückt, Millimeter um Millimeter. Sein Blick glitt über Lavinias schlanken, geschmeidigen Körper. Wie ein Racheengel stand sie vor ihm. Schwarz wie
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