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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu
Autoren: Martin Rupps
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entführten »Landshut« Jürgen Vietor ragen die Ereignisse von damals in die Gegenwart hinein. Er forscht nach den Hintergründen, die zum Tod seines Piloten-Kollegen geführt haben.
    »Mogadischu« ist lange her, doch es ist nicht vergangen.
    Erst am Ende des Buches ergreife ich persönlich Partei – nicht für eine Betroffene oder einen Betroffenen, sondern für ein Flug 26 zeug. Das Exemplar der Boeing 737 , das einmal »Landshut« hieß und Schauplatz einer schrecklichen Entführung wurde, gehört in ein deutsches Museum!
    Dieses Buch ist das Ergebnis von Recherchen vieler. Ihre Namen habe ich im Anhang genannt. Ich verdanke ihnen das Geschriebene, weil sie mir Informationen überließen, Akten zugänglich machten oder zum persönlichen Gespräch bereit gewesen sind. 26

27 Fünf Tage als Geisel
    Von Karl Hanke
    In der Wochenzeitung Die Zeit vom 5.   Mai 1978 erschien ein zweiseitiger Artikel mit dem Titel » Fünf Tage als Geisel « . Ein Mann, der in der » Landshut « entführt worden war, blickte darin noch einmal auf die schlimmsten Tage seines Lebens zurück. Er tat es in einer sprachlichen Dichte und gedanklichen Tiefe, wie sie nur ein unmittelbar Betroffener leisten konnte. Die Lektüre des Textes gibt eine Einzelmeinung und Einzelerfahrung wieder, doch lässt sie auch 35 Jahre später an den Ereignissen während der Entführung und an der Situation in der Maschine teilhaben.
    Der Autor veröffentlichte diesen Text seinerzeit ohne Nennung seines Namens. Er wünschte die Anonymität, weil er darunter litt, dass ihm seine vernunftgemäße, geradezu stoische Sicht auf das, was er während der Entführungstage erlebt hatte, nicht geglaubt wurde. Bestimmt war er mit diesem Blick auf die Ereignisse ein Beispiel von wenigen – und doch ist seine Sicht der Dinge authentisch, denn auch er gehörte zu den 87 Menschen, die in der entführten » Landshut « um ihr Leben fürchten mussten.
    Bei dem Autor von » Fünf Tage als Geisel « handelt es sich um den damals 66 Jahre alten Karl Hanke aus Bad Homburg. Er wollte am 13.   Oktober 1977 von seinem Urlaub in Son Servera auf Mallorca nach Deutschland zurückkehren. Der seit einem Jahr pensionierte, ehemalige Geschäftsführer einer Fabrik für Kunststoffe im hessischen Kelsterbach besaß in dem mallorquinischen Ort einen Mühlenturm, den er zu einem Ferienhaus umgebaut hatte. Seine Ehefrau war schon zwei Tage vorher abgeflogen.
    Karl Hankes Tochter Agnes Hanke erzählt: » Er pflegte immer hinter seiner Unterschrift in Sütterlin einen Punkt zu machen. « Ihr Vater habe gesagt: » Wenn einmal kein Punkt dahinter ist, habe ich diese Unterschrift unter Zwang geleistet. « In der entführten » Landshut « mussten die Passagiere jeweils eine Karte schreiben. Auf Hankes Karte fehlte der Punkt.
    28 Sechs Monate sind vergangen, seit ich aus Mogadischu zurück bin. Was sich damals in den fünf Tagen und fünf Nächten an Ereignissen zutrug, kommt mir immer nur in einzelnen Episoden oder Gedankenkomplexen in Erinnerung. Wie oft mußte ich nach meiner Rückkehr in kleineren oder größeren Kreisen darüber in allen Details sprechen, um es alles erst nach Monaten endlich aus meinen Träumen loszuwerden. Das Wesentliche allerdings entzieht sich der Vermittlung an andere.
    Nach einem der letzten dieser Gespräche kam ich mir vor, als hätte ich die Freunde und Zuhörer in einem Kahn über einen tiefen Alpensee gerudert. Die Stücke, die an der Wasseroberfläche schwammen, die sie sehen und »begreifen« konnten, das waren die Fakten, von denen ich ihnen erzählt hatte. Von der Tiefe des Sees aber ahnten und begriffen sie nichts. Ich war enttäuscht, nicht über meine Zuhörer, sondern über meine absolute Unfähigkeit, ihnen die Wassertiefe begreiflich zu machen. Einige meiner Zuhörer, meist weitgereiste und »vielgeflogene« Männer, fanden es völlig unverständlich, daß 40 Männer, die es schätzungsweise unter den 91 [sic] Geiseln gab, nicht imstande gewesen sein sollten, mit nur vier Bewaffneten fertig zu werden. (Glücklicherweise gab es in der Maschine keine Helden; es wäre der sichere Untergang gewesen.)
    Gewisse Erfahrungen sind eben nur ganz selten und in ganz besonderen Situationen möglich. Und wer hat schon fünf Tage und fünf Nächte rund um die Uhr einen Pistolenlauf, zwei Handgranaten und – bei den Ultimaten – zwei Sprengladungen vor Augen gehabt, brutale Mißhandlungen von Frauen, Schein-Exekutionen und die Erschießung eines mit erhobenen
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