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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte
Autoren: Doris Rawolle
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bewundere und verehre Beate – wahrscheinlich wie ich noch nie vorher eine Frau verehrt habe.«
    »Und das einfach so – so vollkommen ohne Nebengedanken? Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aber das fällt mir äußerst schwer zu glauben.«
    »Das können Sie halten wie Sie wollen«, erwiderte er betont gleichgültig.
    »Hm, mal angenommen ich glaube Ihnen, dann muss das aber längst nicht heißen, dass Sie nicht doch wesentlich mehr für sie empfinden.«
    Sein Gesicht wurde abweisend, und da er sich auf den Verkehr konzentrieren musste, überhörte er geflissentlich ihre Anspielung. Erst als sie an ihrer Wohnung angekommen waren, sagte er: »Ich hätte noch eine Bitte an Sie.«
    »Und die wäre …?«, drängte Lena, als er stockte.
    »Als ich heute bei Ihnen war, ist mir ein kleines Bild aufgefallen, ein besonders Eindrucksvolles. Wissen Sie, das mit dem hellen Berggipfel; ich hielt ihn für den Fudschijama, der hinter vollendet plastischen Gräsern und Gebirgspflanzen, aus feinen Nebel herausragte.«
    »Ach du lieber Himmel«, tat Lena entsetzt, »das ist doch eine uralte Arbeit!«
    Arne schmunzelte. »Vielleicht erhöht gerade das den Wert! Doch mal im Ernst, mir ist es deshalb besonders aufgefallen, weil …« er musterte sie kurz aus den Augenwinkeln, »Sie dürfen ruhig lachen, wenn Sie mögen. Aber ich meine, es hat so etwas versteckt Mystisches, so etwas Bestimmtes, irgendwie nicht Erklärbares an sich. Oder vielleicht doch …?« Er überlegte angestrengt. »Jawohl, jetzt fällt es mir wieder ein, es könnte auf die eindrucksvolle Begegnung mit den tibetanischen Bergen zurückzuführen sein.«
    »Wieso sollte ich darüber lachen müssen? Für meine Begriffe ist es eher etwas sehr Schönes, sich von mystischen Dingen inspirieren zu lassen. Gerade die fremdländischen Kulturen, samt ihren überlieferten Glaubensrichtungen, sollten uns viel mehr beschäftigen, um durch das Kennenlernen gewisse Vorurteile abzubauen.«
    »Nun, versuchen wir uns der Hoffnung hinzugeben, dass durch die vorangetriebene, umfangreiche Globalisierung, die Verschmelzung von Kultur und Glaubensrichtungen, zur Überwindung der geistigen Hemmschwellen führen.«
    Lena schloss die Tür zu ihrer Wohnung auf. »Bitte, treten Sie ein und suchen Sie sich im Arbeitszimmer das Gewünschte aus!«
    Als Arne dann mit dem besagten Bild in der Hand vor sie trat, bemerkte sie in seinem sonst sehr beherrschten, distanzierten Gesicht, eine ungewöhnliche Sanftheit, die sie merkwürdig berührte. Der besondere Grund hierfür, sollte sich auch rasch aufklären.
    Indem er auf das Bild in seiner Hand zeigte, gestand er ihr: »Es ist in Wahrheit für Beate bestimmt. Sie hat in zwei Monaten Geburtstag, und ich weiß, dass sie meine diesbezügliche asiatische Liebe teilt.«
    »Aha«, sagte Lena, und schlug das Bild fachgerecht in weißes Seidenpapier ein. Doch als sie es ihm überreichte, befiehl sie ein sonderbar zwiespältigen Gefühl, so sagte sie mit betonter Zurückhaltung: »Bitte, sagen Sie jetzt nicht ›Danke‹, denn das ertrüge ich nicht, da ich Ihre darin enthaltenen, wirklichen Gefühle, längst erkannt habe – was größter Hochachtung gebührt.«
    Arne erwiderte nichts.
    An der Tür erst, nachdem er sich mit einem festen, aber herzlichen Händedruck von ihr verabschiedet hatte, sagte er plötzlich unbeholfen: »Was ich eigentlich immer schon mal fragen wollte; hat Ihnen Knuts schneller Sympathiewechsel tatsächlich so wenig ausgemacht?«
    Von der unvermuteten Frage einigermaßen betroffen, dauerte es eine Weile bis sie antwortete: »Und ob mir das was ausgemacht hat! Ich war zutiefst gekränkt und unsagbar verletzt.« Plötzlich aber wechselte ihr ernster Gesichtsausdruck ins tragisch komische über und seufzte. »Wobei ich eingestehen muss, dass ich wahrscheinlich tatsächlich einen Augenblick lang dem Wahn der Unersetzlichkeit verfallen war – dementsprechend weh tat dann auch die bittere Wahrheit.«
    »Tja, so ist das nun mal mit den Gefühlen«, lächelte er.
    Obwohl Arne längst gegangen war, hingen ihre Gedanken dem Gesagten, oder auch nicht Gesagten unvermindert nach. Denn eines war sicher, diese beiden Menschen, Arne und diese junge Frau, würden wie sie selbst, den ungewissen Lebensbestimmungen zum Opfer fallen – die weder zu beeinflussen, noch zu umgehen waren. Ein Leben halt, mit vielen, sehr vielen Unbekannten.
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