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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte
Autoren: Doris Rawolle
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»Aber nicht was Sie jetzt denken …!«
    »Gott, was soll ich schon denken«, tat sie unbekümmert. »Es ist schließlich Ihre Angelegenheit.«
    »Ich möchte aber nicht, dass Sie etwas Falsches denken!«, sagte er unerwartet heftig, so wie es überhaupt nicht seiner Art entsprach.
    Was Lena nun auch ein erstauntes Lächeln entlockte. »Wieso sollte ich etwas Falsche denken, wenn ich im Grunde gar nichts weiß?«
    Die Falte auf seiner Stirn vertiefte sich. »Lena, das glauben Sie doch wohl selbst nicht, dass meine Frau oder auch Knut nichts davon gesagt haben soll! Nein, meine Liebe, das glaube ich Ihnen nicht!«
    »Und wenn schon! Aber ich weiß wirklich nichts, zumindest nichts was Ihre Vermutungen bestätigen würden. Außerdem wäre das zu primitiv, dass würde weder Ihre Frau noch Knut tun.«
    Ein erleichtertes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Etwas Schöneres hätten Sie mir gar nicht sagen können, denn wenn ich etwas aus tiefster Seele verachte, ja hasse, dann ist es dieser primitive Tratsch, der vor nichts halt macht – selbst vor den intimsten Gefühlen nicht. Zumal ich weiß, dass Franziska, meine Frau, zuweilen zu fragwürdigen, frivolen Gedanken und Äußerungen neigt. Nicht etwa aus Böswilligkeit heraus, o nein, ganz einfach aus Nachlässigkeit heraus, wäre mit das unerträglich. Sie ist nun mal gewöhnt, dass alle Welt, und im Besonderen ich, ihr zu Füßen liegen. Sie hat bis heute nicht bemerkt, es wahrscheinlich mit Absicht nicht bemerkt, dass es auch noch etwas anderes geben könnte, als sich im Glanz des Wohlstandes zu sonnen.«
    Die ungezügelte Offenheit, das spontane aus sich Herausgehen, verblüffte Lena, oder richtiger gesagt, erschreckte sie bisweilen etwas, da sie eine solche Reaktion nicht von ihm erwartet hätte. Im Gegenteil, seine förmliche Distanziertheit plädierte eher für stolze Unnahbarkeit. Die Tatsache aber, dass er unerwartet Schwäche zeigte, machte ihn ihr noch wesentlich sympathischer. So sagte sie denn auch mit herzlich warmer Stimme: »Ihre Offenheit, Herr Björnson, ehrt mich zwar, doch ich glaube, nein ich weiß es, dass Sie Ihrer Frau in gewisser Weise Unrecht tun; oder wer sonst hat sie zu dem gemacht, was sie in Ihren Augen darstellt, wenn nicht Sie selbst.«
    »Weit gefehlt! Damit dürfen Sie mir nicht kommen. Denn irgendwann geht jede Geduld einmal zu Ende. Und irgendwann zog ich dann den Seelenfrieden vor.« Und halb zu sich selbst, fügte er etwas leiser hinzu: »Außerdem muss Gewöhnung nicht unbedingt etwas Verwerfliches an sich haben.«
    »Und die sogenannte Mitarbeiterin, gehört die etwa auch zu dieser Gewöhnung …?«, fragte Lena, und erschrak im gleichen Moment über ihre Dreistigkeit.
    Doch Arne schmunzelte nur. »Das könnte Ihnen so passen! Mitarbeiterin bleibt Mitarbeiterin, was denn sonst!«
    »Ich weiß nicht recht«, Lena wiegte nachdenklich den Kopf hin und her, »irgendetwas sträubt sich in mir dagegen das zu glauben.«
    »Na schön.« Er erhob sich plötzlich und sagte mit feinem Lächeln: »Wie wäre es, wenn ich Sie heute Abend zum Essen einlade, dann können Sie sich höchst persönlich von der Richtigkeit meiner Worte überzeugen?«
    »Gern, da sage ich nicht nein!«, stimmte Lena ohne zögern zu und brachte ihn noch bis zur Tür.
    »Ich hole Sie gegen neunzehn Uhr ab, weil wir ja am Abend noch zurückfahren müssen«, sagte er über die Schulter hinweg.

    Irgendwie freute sich Lena ganz besonders auf diesen Abend. Nicht allein aus der willkommenen Abwechslung heraus, die in letzter Zeit ziemlich mager ausgefallen waren. Nein, es war weit mehr, so ein vages, unbestimmtes Gefühl, etwas ganz Besonderes kennenzulernen – oder auch nicht, dachte sie im gleichen Atemzug.
    Zumindest verbrachte sie an diesem Abend wesentlich länger vor dem Spiegel zu, als es sonst ihrer Art entsprach. Mehrmals probierte sie das eine oder andere Kleidungsstück aus, um sich dann doch für das stahlblaue Seitenkleid mit spitzem Ausschnitt zu entscheiden. Dazu die schmale goldene Kette, die ihr Knut auf Ischia geschenkt hatte. Zum Glück hatte sie vor Tagen erst die Haare ordentlich schneiden lassen, so dass sie mit wenigen Bürstenstrichen gut lagen.
    So, nun konnte Arne kommen, sie war bereit. Sie ging zum Fenster und schaute erwartungsvoll auf die Straße hinab.
    Da näherte sich auch schon ein silbergrauer Wagen – jawohl, das musste er sein. Sie griff nach ihrem Täschchen und nahm den hellen Mantel vom Kleiderbügel. Da läutete es
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