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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte
Autoren: Doris Rawolle
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dich endgültig von Knut zu trennen? Nein, Lena, diese Variante kann ich gleich gar nicht glauben – denn das wäre schlicht und ergreifend verrückt. Zumal Knut dich liebt, ja regelrecht vergöttert – das wiederum weiß ich nur zu genau. Oder willst du mir auf einmal weißzumachen versuchen, dass du ihn nicht mehr magst, ihm sozusagen aus diesen oder jenen Grund den Laufpass geben willst oder bereits gegeben hast?«, lachte sie grimmig auf.
    »Deinen Hohn, Skepsis, oder was immer es ist, kannst du dir tunlichst sparen, denn mir ist weder zum Scherzen, noch zu sonst etwas zu Mute. Und ich warne dich, noch einmal wiederhole ich mich nicht! Es fällt mir ohnehin von Minute zu Minute immer schwerer.«
    »Dann ist das tatsächlich dein voller Ernst?« Und nachwievor schüttelte Ruth ungläubig den Kopf. Sie tippte sich demonstrativ mit dem Finger gegen die Stirn. »Entschuldige bitte, Lena, aber das will einfach nicht in meinem Kopf hinein! Und was, wenn du es dir in den nächsten Tagen anders überlegst? Vielleicht kommst und sagst: Entschuldige bitte, ich habe mich geirrt, ich kann nun doch nicht ohne Knut leben?«
    »Keine Angst, Ruth, ich habe noch immer zu dem gestanden was ich gesagt habe, daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.«
    »Na schön, und Knut? Seine Meinung, seine Wünsche, von seinen Gefühlen ganz zu schweigen, zählen wohl gar nicht? Woher nimmst du eigentlich die Gewissheit, dass ausgerechnet ich es bin, die deine Stelle einnehmen könnte? So naiv kann ein Mensch doch bald gar nicht sein. Das, meine Liebe, ähnelt verdammt noch mal, einem schlechten Boulevardstück.«
    Lena war in sich zusammengesunken und ihre schmalen Schultern zuckten unter den heftig hervorquellenden Tränen.
    Zutiefst erschrocken sprang Ruth auf, hockte sich neben Lena nieder und versuchte sie mit sanfter Stimme zu beruhigen.
    Lena aber stieß sie zurück. »Bitte – Ruth, lass mich jetzt allein …«
    Ruth erhob sich schweigend, nahm ihre Tasche und ging zur Tür. Dort wandte sie sich noch einmal kurz um und sagte: »Falls du es dir anders überlegen solltest – bis heute Abend noch, dann dürfte es zu spät sein.«
    Keine Antwort.
    Die nächsten Stunden verbrachte Lena in einer seltsamen Mischung von verzweifelten Selbstmitleid und verachtenden Selbstvorwürfen. Die sonstige Courage war einer totalen Hilflosigkeit gewichen. Sie hatte sich zwar weitgehend beruhigt, was den haltlosen Tränenfluss betraf, doch der Schmerz, in ihrer eigenen Lebensvorstellung gefangen zu sein, setzte ihr immer noch arg zu. Denn alles das, was vor Stunden noch die höchste Priorität in ihrem Leben eingenommen hatte, zerfiel nun in zweifelhafte, sehr fragwürdige Einzelteile. Sie konnte es drehen und wenden wie sie wollte, doch es blieb was es war, der Preis für ihre selbst gewählte Selbstständigkeit blieb erschreckend hoch und überstieg bei weitem ihre Vorstellungskraft. Mit dem endgültigen Verzicht auf eine harmonische Zweisamkeit, hatte sie etwas aus ihren Leben entfernt, das eigentlich durch nichts zu ersetzen war. Und doch war sie sich sicherer denn je; es gab keinen anderen Weg – nicht für sie.
    Nur mühsam gelang es ihr sich im wirren Gestrüpp ihrer Gefühle und Gedanken zurechtzufinden. Dabei blieben die Rückschläge nicht aus. Denn so sehr sie sich auch dagegen wehrte, besonders nachts, die quälenden Zweifel loszuwerden, kehrten sie dennoch beharrlich wieder zurück. Zweifel, mit immer den gleichen Inhalt: War das bisschen Selbstverwirklichung wirklich so viel beglückender, als die Bereitschaft sich hinzugeben, sich einzubringen, um Glück zu verbreiten, kehrten immer und immer wieder. Kam es nicht eher einem verwerflichen Trugschluss gleich, diese Art von Selbstverwirklichung mit der Harmonie zwischenmenschlicher Beziehungen gleichzusetzen? Zweifel über Zweifel …!

    Vier Wochen waren nun vergangen, der Oktober näherte sich bereits seinem Ende zu und die Tage wurden kürzer und kürzer. Lena hatte viel gearbeitet, wohl in erster Linie deshalb, um die Lücke, die Knut in ihren Leben hinterlassen hatte zu verbergen. Denn der Entschluss, endgültig loszulassen, hatte sie länger als ihr lieb sein konnte, in ihrer Arbeit behindert, bisweilen sogar gelähmt.
    Zuweilen auch jetzt noch, an besonders schönen, sonnigen Herbsttagen, begannen ihre Gedanke in jene Ferne zu irren, da wo sie hätte sein können – und doch nicht war, weil längst eine andere ihre Stelle eingenommen hatte – Ruth, ihre beste
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