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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte
Autoren: Doris Rawolle
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aufmerksam an und sagte mit zusammengezogenen Brauen: »Ihre Ehe dürfte aber davon nicht betroffen sein, so wenig wie Sie sich sehen.«
    »Unsere Ehe passt in keines der vorgefertigten Schemen.«
    »Aha.«
    Einen Augenblick herrschte Schweigen.
    Plötzlich beugte sich Arne leicht vor und legte seine weiche Hand mit dem auffälligen Siegelring am kleinen Finger, auf ihren Arm. »Was mich viel brennender interessiert, als das leidige Für und Wider einer Ehe, ist Ihre künstlerische Arbeit.«
    »Bitte, dem steht nichts im Wege«, erhob sich Lena und wies mit der Hand auf die gegenüberliegende, halb offene Tür. Sie ließ ihm den Vortritt und erst dann breitete sie einige von den noch in Arbeit befindlichen Arbeiten wortlos vor ihm aus. Der Geruch von frischer Farbe, Tusche, sowie Lösungs- und Fixiermittel, strömte ihnen daraus entgegen.
    Der angespannt prüfende Blick, der sich langsam von Arbeit zu Arbeit vortastete, drückte eine extreme Konzentration aus. Erst nachdem er jede Einzelheit, mochte sie auch nur so unbedeutend erscheinen, genauestens betrachtet hatte, drehte er sich zu Lena um und sagte, wohl so nüchtern und ernst wie zu seinen Klienten: »Ich bin beeindruckt! Ihre ausgesprochen kreative Gestaltungsweise verblüfft mich, sie zeugt aufs angenehmste, von einer künstlerischen Perfektion.«
    »Es freut mich, dass Ihnen die Arbeiten gefallen haben. Ganz besonders deshalb, weil diese Gestaltungsart eher Befremden hervorruft.«
    »Nicht die Gestaltungsart ist was befremdet, sondern die Unwissenheit. Denn wer kennt sich schon in den asiatischen Kunstformen aus; und dies ist eine typisch asiatische Kunstform. Ich habe sie in einigen Teilen Asiens kennengelernt und war immer wieder aufs Neue begeistert. Diese bewundernswerte, filigrane Fingerfertigkeit in Form von kreativer Gestaltung, hat mich stets seltsam berührt. Nur, wie kommen ausgerechnet Sie an diese Fremdartigkeit? Oder haben Sie erst nach der Wende damit begonnen?«
    »Nein, natürlich nicht, denn in so kurzer Zeit hätte sich das kaum bewerkstelligen lassen. Ich habe bereits im Kindesalter damit begonnen.« Und so erzählte sie in knappen Worten, was sich damals in den Nachkriegsjahren, bedingt durch die Flüchtlingseinquartierung, zugetragen hatte. Vor allem, dass nach so vielen Jahren, ja Jahrzehnten, jetzt, nach der weltweiten Grenzöffnung, todgeglaubte Verbindungen plötzlich neu auflebten.
    Noch völlig im Zuhören vertieft, schien Arne gar nicht bemerkt zu haben, dass Lena längst zu sprechen aufgehört hatte. Und erst als sie neben ihn trat, hob er den Kopf und sagte: »Wie eigenartig doch die Geschicke der Menschen ineinander verflochten sind – fast könnte man es Schicksal nennen.«
    »Nur fast …?«, wunderte sich Lena.
    Er hob abwehrend beide Hände. »Nun ja, eine Illusion – sonst nichts …«
    »Schade, ich hätte nämlich zu gern daran geglaubt.« Sie fasste ihn am Arm an. »Kommen Sie, verlassen wir den Raum, ehe Sie noch Kopfschmerzen bekommen, da ich heute Morgen ausgiebig mit Fixiermittel gearbeitet habe.«
    Sie kehrten ins Wohnzimmer zurück.
    Und während Arne sich im Sessel niederließ, sagte er: »Jetzt fange ich langsam an zu begreifen, weshalb Sie auf eine dauerhafte Verbindung mit Knut verzichtet haben. Bisher, das muss ich ehrlicherweise zugeben, war mir das irgendwie völlig unverständlich. Jetzt aber, nachdem ich ein klein bisschen mehr von Ihnen kennengelernt habe, beginne ich zu begreifen. Es zeigt einmal mehr, dass gewisse Dinge im Leben oft nur schwer nachvollziehbar sind – wenn überhaupt.«
    Lena nickte. »Genau das, habe ich auch erst sehr spät bemerkt, und dann mitunter immer noch nicht begreifen können – zuweilen auch heute noch nicht.«
    »Oh, falls Sie nach der absoluten Wahrheit suchen – da werden Sie höchstwahrscheinlich ewig suchen …«
    »Na, schön, dann eben nicht …!«, lachte sie gutgelaunt auf, aber gleich wieder ernst werdend, sagte sie: »Nun mal etwas anderes, werden Sie noch längere Zeit hier in der Stadt zu tun haben?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht, wir werden heute Abend noch nach Halle zurückfahren.«
    »Wir …?«
    »Ach so …«, sagte er unwillig und wandte sich kurz ab, dann aber fügte er betont gelassen hinzu: »Na ja, meine Mitarbeiterin wollte noch einige Besorgungen erledigen.«
    »Etwa die Mitarbeiterin …?«, wollte Lena nun etwas genauer wissen.
    Lenas fragenden Blick ausweichend, antwortete er zaghaft und mit sichtbaren Widerwillen:
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