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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte
Autoren: Doris Rawolle
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dass sie über diese perfekten, absolut trittsicheren Feinheiten eines marktwirtschaftlich orientierten Unternehmers, noch gar nicht verfügen können – in so kurzer Zeit einfach unmöglich. Leider aber muss ich immer öfters die Feststellung treffen, dass die eigentlichen Könner, für die sich ja die meisten Westdeutschen unumstritten halten, keinen Deut besser abgeschnitten haben. Im Gegenteil, die fehlerhafte Einschätzung, sowie mangelnde Koordinierung, ob gewollt oder ungewollt, bleibt dahingestellt, ist in meinen Augen noch wesentlich bedrückender.« Doch er winkte plötzlich energisch ab. »Aber wir wollen doch jetzt nicht von Geschäften reden!«
    »Nun, ich für meine Person, bin immer begierig etwas gänzlich Neues zu erfahren; zumal von einem Fachmann«, erwiderte Lena.
    Arne hob sein Glas. »Auf das Glück unserer Begegnung, die ohne der Einheit nicht möglich gewesen wäre.«
    »Wie wahr!«, sagte Lena. »Übrigens, die Vergesslichkeit der Menschen scheint gerade in diesen Dingen besonders groß zu sein. Wie oft schon wurde ich in letzter Zeit während eines rückblickenden Gespräches plötzlich gefragt: War denn das wirklich so …?«
    »Sehen Sie«, erwiderte die junge Frau ungewöhnlich impulsiv, »genau das ist mir gestern erst wieder untergekommen, als ich eine Bekannte, für meine Begriffe sogar zurecht, auf gewisse haltlose Zustände von früher aufmerksam machte, da hat sie mich doch ziemlich böse angefahren und gemeint: Früher sei alles viel besser gewesen, da habe es diese Ungerechtigkeiten wie heute nicht gegeben, und so weiter …!«
    Lena lachte. »Tja, Vergesslichkeit ist die eine- und die gemachte Erfahrung die andere Tatsache. Die wirkliche Enttäuschung der Leute, resultiert doch vorwiegend aus der immer häufigeren Ähnlichkeit der Dinge, die sie glaubten überwunden zu haben. Eine Erkenntnis also, welche überhaupt nicht in das in jahrzehntelanger Isolation entstandene Schema passen will. Außerdem haftet der Vergangenheit von jeher, so ein gewisser vorgefertigter, nostalgischer Tatsch an.«
    »Hm, das wird es sein«, nickte die junge Frau zustimmend. Doch offenbar nicht ganz glücklich über das Für und Wider der Einheit, wiegte sie nachdenklich den Kopf hin und her. »Irgendwie fühle ich Unbehagen bei diesen Gedanken; was ist nun wirklich besser und was nicht? Solang ich arbeitslos war und mit sehr wenig Geld auskommen musste; und was noch erheblich schlimmer war, war die immer größer werdende Hoffnungslosigkeit auf einen angemessenen Arbeitsplatz, da habe ich mich schon öfters nach dem alten Arbeitsplatz, dem vor allem sicheren Arbeitsplatz, zurückgesehnt. Jetzt aber, nachdem ich wieder in Arbeit stehe, noch dazu in einer äußerst interessanten, positiven Tätigkeit, sieht die Welt auf einmal ganz anders für mich aus. Plötzlich haben sich all die negativen, beschwerlichen Aspekte, auf ein absolutes Minimum reduziert – und ich schäme mich zuweilen ganz fürchterlich über meine Mutlosigkeit, die bereits an Verzweiflung grenzte.«
    »Dann arbeiten Sie wohl noch gar nicht lang zusammen?«, sah Lena von einem zum anderen.
    »Acht Monate erst«, antwortete die junge Frau. »Da ich unmittelbar nach der Wende arbeitslos wurde, habe ich meine kaufmännischen Kenntnisse in einer zweijährigen Weiterbildung auf westdeutsches Niveau anpassen müssen. Wer aber glaubte, dass nach dem erfolgreichen IHK-Abschluss die Berufslaufbahn gesichert sei, der hatte sich gründlich verrechnet, denn dann fing die Misere erst richtig an. Bewerbungen über Bewerbungen, und wenn sie überhaupt zurückkamen, dann mit einem ablehnenden Bescheid. Nur ab und zu ein Vorstellungsgespräch, doch auch das ohne Erfolg. Das war mit der Zeit nicht nur frustrierend, das untergrub auch all mein Selbstwertgefühl. Ich wurde nicht nur zunehmend unleidlicher, mich begann zuweilen auch ein gefährliches depressives Minderwertigkeitsgefühl zu quälen. Ich schämte mich zutiefst, zu nichts mehr nütze zu sein – was mich immer mehr an meinen Fähigkeiten zweifeln lies. Es war eine entsetzliche Zeit.«
    »Ihr Mann aber hatte Arbeit?«
    »Eben nicht, das war ja das noch viel größere Dilemma! Zudem zwei schulpflichtige Kinder, sowie eine pflegebedürftige Mutter.«
    »Oh, das ist allerdings hart!«
    Arne, der bislang schweigend zugehört hatte, bemerkte nun so wie nebenbei: »Ihr Anblick war auch dementsprechend …«
    »Du hast gut reden! So wie ich mich in die Enge getrieben fühlte, war mir mittlerweile
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