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Die Trugburg

Die Trugburg

Titel: Die Trugburg
Autoren: Horst Hoffmann
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griffen ihn nicht an, denn er hatte keinen Mangogeruch an sich.
    Die schon von Natur gebogenen Äste boten genug Widerstand, um einen Pfeil mit Elan von der Sehne flitzen zu lassen. Mythor schabte mit dem Ende eines der geraden Stäbe Kerben, in denen er die Sehne befestigte. Als er dann noch die Einschnitte in seinen Geschossen vornahm, war es schon fast zu spät.
    Gorm und Trok hatten sich leise angeschlichen. Erst jetzt sprangen sie auf und griffen unter schrecklichem Gezeter an. Mythor hatte den ersten Pfeil an der Sehne und zog ab. Er traf Trok mitten in die Brust.
    Der Zacide war auf der Stelle tot. Keine von Gorm gewirkte Magie erweckte ihn mehr zum Leben, doch Gorm dachte auch gar nicht daran, sich um seinen Gefährten zu kümmern, denn jetzt gehörte die Beute allein ihm.
    Er war heran, bevor Mythor einen zweiten Pfeil verschießen konnte. Seine Schlangenarme wanden sich blitzschnell um Mythors Hals. Gorm war wie ein Bündel aus reiner Schnelligkeit und Kraft, das den Gegner würgte und zu Boden riß.
    Mythor schlug und trat nach ihm. Er bekam keine Luft mehr. Seine Bewegungen erlahmten zusehends. Schließlich lag er ohne Bewußtsein.
    Als er zu sich kam, hing er wieder in einem Netz am gleichen Ast. Gorm war unter ihm und schüttelte ihm die Fäuste entgegen.
    »Versuche das nicht noch einmal, Mensch!« kreischte er. »Der Aegyr hat für seine Hinterlist bezahlt, und er wird noch tausendmal bezahlen! Dieses Netz fesselt dich so magisch wie die Knoten den Geist des Aegyr an seine Maske! Er kann nichts mehr für dich tun, und du nichts für ihn.«
    Gorm band sich die Totenmaske um den Hals.
    »Wenn du auch nur den Versuch machst, dich zu befreien, zieht das Netz sich zusammen und erstickt dich! Also laß es sein, Mensch. Wenn ich zurück bin, kannst du deinen Mut bald an Eroice ausprobieren.«
    »Du gehst fort?« fragte Mythor mit trockener Kehle. Wie lange hatte er nichts mehr getrunken? Sein Körper war wie ausgedörrt, sein linkes Auge jetzt ganz zugeschwollen, und die Hände spürte er gar nicht mehr.
    »Ich bin bald wieder bei dir. Mit Trok zusammen hätte ich leichtes Spiel mit Eroice gehabt, so aber muß ich ihre Burg erst auskundschaften. Du bist schuld daran, Mensch. Erst wird Eroice sterben, und dann du. Versuche nicht, dich vom Netz erdrosseln zu lassen, denn sterben würdest du nicht, sondern mir auf alle Zeit als Halbtoter ausgeliefert sein. Überlege dir das.«
    Gorm rannte los und schwang sich in die Wipfel der Bäume, die den Weg zur Burg säumten.
    Er hat endgültig den Verstand verloren! dachte Mythor.
    Aber was nützte ihm das? Wenn Eroice Gorm abschmetterte, hing er so lange im Netz gefangen, bis er verdurstet oder verhungert war.
    Wie lange brauchten Ilfa und die anderen, um ihn zu erreichen? Lebten sie denn überhaupt noch?
    Wenn Gorm auch seine Möglichkeiten hoffnungslos überschätzte – Mythor traute ihm zu, ein magisches Netz noch viel weiter um ihn gewunden zu haben. Es war schon allein dazu nötig, um ihn, mit dem Gorm die Hexe zu erpressen versuchte, vor den Gefahren des Waldes zu schützen.
    Zum erstenmal kam Mythor der Gedanke, sich zum Schein auf einen Pakt mit Eroice einzulassen.
    Doch auch das waren pure Einbildungen. Eroice war zu mächtig, um sich von dem Zaciden ins Bockshorn, jagen zu lassen. Entweder sie holte ihn sich von hier oder Gorm. Seine Lage war aussichtsloser denn je. Noch einmal glaubte er, Geseds Geisterstimme von weither zu hören. Dann verstummte auch sie.
    Doch ganz gleich, wer auch kam, um ihn sich zu holen, immer noch war genügend Lebenswille in ihm, um ihn bis zum Letzten kämpfen zu lassen.

3.
    Eigentlich war Gorm schon viel zu lange fort. Die Mitte des Tages war angebrochen. Entweder war der im Geiste kranke, sich unüberwindlich fühlende Zacide auf unüberwindliche Schwierigkeiten gestoßen, oder Eroice hatte ihn entdeckt und in ihren Bann geschlagen – oder ihre Leibgarde hatte ihm den Garaus gemacht.
    Nichts deutete darauf hin, daß Ilfas Gruppe sich vom Marmorbruch her näherte. Mehrere Male waren Schreckenskreaturen aufgetaucht und hatten versucht, sich des Netzes und seines Inhalts zu bemächtigen. Ob Doppelmaulwölfe, dreibeinige Titanen, Schleimgeschöpfe oder Schlangen – immer waren sie an einem unsichtbaren, magischen Schild abgeprallt und mußten sich geschlagen wieder in den Wald zurückziehen.
    Gorm kehrte nicht zurück, und die Stunden zogen sich quälend langsam dahin. Mythors Kehle brannte. Mit der Zunge hatte er versucht, die
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