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Die Trugburg

Die Trugburg

Titel: Die Trugburg
Autoren: Horst Hoffmann
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weit ist es noch bis zur Burg?«
    Trok bestrafte ihn nicht. Vielleicht erhoffte er sich, durch sein gnädiges Verhalten selbst in den Besitz des Geheimnisses kommen zu können.
    »Nur noch Stunden«, flüsterte er. »Deshalb rasten wir hier, um alle unsere Kräfte beieinander zu haben, bevor wir der Hexe gegenübertreten. Eigentlich ist es hier schon gefährlich.«
    Trotz seiner verzweifelten Lage mußte Mythor innerlich lachen. Neue Kräfte sammelten die Katzenhaften sicherlich nicht, indem sie sich bis zur Erschöpfung bekämpften.
    Und da geschah es schon wieder. Gorm sprang auf und holte sich blitzschnell die Totenmaske. Genauso schnell war Trok über ihm, und wieder begannen die Krallenhände zu fliegen.
    »Vertraue mir, Mythor«, kam es mitten aus dem Gewühl heraus.
    »Wenn du dich befreien kannst, dann nimm mich mit!«
    Er dachte nicht daran. Außerdem wußte er beim besten Willen nicht, wie er das anstellen sollte, sich aus dem Netz und darüber hinaus aus seinen Armfesseln zu stehlen.
    So wie es aussah, war er den beiden Jägern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
*
    Mit der Zeit wurden Mythors Glieder taub. Unter ihm belauerten Gorm und Trok sich gegenseitig. Gorm hatte die Maske erobern können und bewachte sie wie den kostbarsten Schatz. Dann und wann stach er seine Krallen durch die Augenschlitze, und Geseds Geist ließ ein qualvolles Stöhnen erklingen.
    Aus der vorgesehenen kurzen Rast war ein Nachtlager geworden, und das schien seinen guten Grund zu haben. Von dorther, wohin sich der Weg fortsetzte, erklangen schaurige Laute. Sie hörten sich an wie das Klagen von Untoten, die aus ihren Gräbern gestiegen waren und nun rastlos auf der Suche nach Opfern herumirrten.
    So ging es die ganze Nacht über. Mythor zerrte an seinen Fesseln. Die Zaciden rückten näher zusammen. Vorhin noch so unerschrocken und einer der bittere Rivale des anderen, kauerten sie beieinander und versuchten sich gegenseitig Mut zu machen. Das Gestöhne kam näher, und einmal erfüllte ein grausames, helles Lachen die Lüfte.
    Eroice!
    Mythor rieb sich die Handgelenke wund. Er durfte der Hexe nicht wehrlos in die Hände fallen. Und plötzlich fühlte er etwas an seinem Arm entlangkriechen.
    Er hielt den Atem an.
    »Verrate dich nicht«, flüsterte Geseds Stimme in seinem Schädel. »Ich kann immer noch meine Magie wirken lassen. Der Wurm wird die Riemen mit seiner Säure auflösen. Schreie nicht, wenn sie dir auch die Haut vom Fleisch brennt. Er wird auch die Stricke des Netzes zersetzen. Warte einen günstigen Augenblick ab, und dann töte die Zaciden. Und sieh, daß du mir vertrauen kannst.«
    Mythor wußte nicht, was er von der Botschaft zu halten hatte, bis die Schmerzen an den Händen ihn fast das Bewußtsein verlieren ließen.
    Urplötzlich konnte er die Arme bewegen.
    Der Wurm fiel von seinen Gelenken ab. Mythor spürte einen schwachen Ruck nach dem anderen, als die Maschen des Netzes sich auflösten, wie Gesed es angekündigt hatte. Also wob er wahrhaftig eine Magie, trotz aller Qualen, die ihm Gorm bereitete.
    Die Mischwesen kauerten noch zusammen. Sie bemerkten nichts, als Mythor die Arme nach vorne nahm und sie trotz der unerträglichen Schmerzen an den Händen rieb, damit wieder ein Gefühl in sie kam.
    »Tue es jetzt!« hallte die Gesedstimme in ihm. »Bevor Gorm und Trok sich von den Schrecken der Nacht erholt haben, denn gleich wird der Spuk vorüber sein. Sieh, der Tag dämmert bereits herauf.«
    Mythor griff in die noch festen Maschen und ließ sich lautlos durch die geschaffene Öffnung herunter.
    Er war frei. Noch immer drehten die Zaciden sich nicht um. Mythor hätte einen von ihnen überraschen können, nicht aber alle beide. Entweder Gorm oder Trok hätte ihm den Garaus bereitet.
    Er hörte nicht auf Geseds Flüche und Beschwörungen. Er war ihm nichts schuldig. Er schlich sich davon und fühlte sich erst in Sicherheit, als er schon tief in den Wald eingetaucht war.
    Die gräßlichen Laute der Nacht verklangen. Mythor mußte sich etwas beschaffen, das er als Waffe benutzen konnte, denn sicherlich war Eroices Burg von kalten und zornigen Reitern bewacht. Er brach die kerzengeraden Zweige eines unbekannten Baumes ab, deren Enden so scharf wie Pfeilspitzen waren.
    Er fand Schlinggewächse, deren Strähnen dünn genug waren, um als Sehne zu dienen. Den Ast, den er noch für einen Bogen brauchte, holte er sich von einem Mangobaum, dessen Nierenfrüchte von den bekannten schwarzen Spinnen befallen waren. Sie
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