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Die Trugburg

Die Trugburg

Titel: Die Trugburg
Autoren: Horst Hoffmann
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Schicksal. Wenn Rayik nicht doch noch dem Spinnengift zum Opfer gefallen war, mußte er Mythor schon abgeliefert haben. Ilfa und ihre Begleiter hatten kaum einmal eine Rast eingelegt, waren gelaufen und auf eingefangenen sechsbeinigen Hirschen geritten. Die Tochter des Wegelagerers Helmond berührte die Totenmaske des Aegyrs Mermer te Ruuta unter ihrem Hemd. Sie hatte sie nach dem Kampf gegen die kalten Reiter wieder abgesetzt und nur dann für jeweils kurze Zeit getragen, wenn Mermer ihr den Weg weisen mußte. Der junge Krieger, gerade dreizehn Sommer alt, als er zu ALLUMEDDON kämpfte und fiel, hatte sein Wort gehalten und nicht versucht, Gewalt über sie zu gewinnen. Ohne seinen Ratschlag wären sie verloren gewesen.
    »Ihr bleibt hier und haltet euch versteckt«, sagte Cobor. »Ich schleiche mich zur Burg hinauf und versuche, sie auszukundschaften.«
    Ilfa sah ihn unsicher an.
    »Du willst nicht doch etwas anderes?«
    »Mythor allein heraushauen?« Cobor lächelte grimmig. »Das ist vorbei, glaube mir. Ich werde mich hüten, Eroice zu unterschätzen. Ich komme so schnell wie möglich zurück – und wenn nicht, sucht euch bei Anbruch der Nacht selbst einen Weg.«
    Damit lief er geduckt zu den ersten Büschen und wurde zu einem Schatten in den dräuenden Nebelschwaden, die den Hang hinaufwanderten und an den dunklen Mauern der Festung emporstiegen.
    Ilfa winkte den anderen zu. Roar folgte ihr nur widerwillig in den Schutz eines umgestürzten Baumriesen, wo sie sich zwischen den Zweigen der Krone niederkauerten. Zomfar und Gorbel, die beiden Abenteurer, die neben Cobor allein von den ursprünglich zehn Baummenschen übriggeblieben waren, sagten nicht viel. Doch sie hatten bewiesen, daß auf sie Verlaß war. Jeder hatte ein Schwert, dazu kamen Ilfas Bogen und der Kriegshammer des Kruuks. Sie konnten Eroice schlagen, wenn es gelang, sie zu überraschen.
    Mermer, der Sohn des Gesed te Ruuta, kannte sich zwar in diesem Wald aus, wußte jedoch nichts über die Burg zu berichten.
    »Lege mich neben dich«, vernahm Ilfa sein Flüstern. »So, daß ich die Mauern sehen kann.«
    Sie verstand ihn und legte die Maske auf einen nach oben gebogenen, breiten Ast. Der gefangene Geist des Jünglings sah von der Innenseite der Maske durch die Augenschlitze. Ihm ging es zwar auch um Mythor, doch vor allem um den Vater, der wie er im Kampf gegen die Dunkelmächte gefallen war. Er glaubte, ihn von seinem Wahn befreien zu können. Da weder er noch Ilfa wissen konnten, daß Mythor nicht mehr im Bann seiner Maske war, mußten sie annehmen, daß Gesed ihn nach wie vor beherrschte. Gesed hatte sich nicht mit seinem körperlosen Zustand abfinden können. Sein Handeln galt nach ungeschriebenen Gesetzen als schwerstes Verbrechen.
    Schwarze Vögel kreisten über den Zinnen und um den mächtigen, alle anderen Teile der Burg hoch überragenden Bergfried. Ilfa erschauderte bei dem Gedanken daran, wie viele verirrte Wanderer in Eroices Gewalt geraten waren, und welch grausames Schicksal ihnen bestimmt war. Mermer wußte nur Andeutungen darüber zu machen, doch diese reichten ihr völlig. Die Burg thronte wie ein häßliches Geschwür auf der Kuppe des Hügels. Die äußeren Zwingmauern waren wie die Klauenfinger einer Dämonenfaust, die sich um die gesamte Anlage streckten.
    Ilfa flehte ihre Götter an, daß es ihr gelingen möge, Mythor in einem schnellen Handstreich zu befreien und dort oben herauszuholen.
    Zomfar holte einige eßbare Früchte, deren Saft auch den schlimmsten Durst löschten. Er brachte etwas von der verlorenen Kraft zurück. Zomfar hatte einen Arm im Kampf gegen die Doppelmaulwölfe verloren, die ihnen die Reithirsche gerissen hatten. Ilfa bewunderte den Abenteurer im stillen dafür, daß er trotzdem nicht den Mut verlor. Und manchmal dachte sie, daß ein gnädiges Schicksal sie geführt habe und auch weiterhin mit ihnen sein mochte, wenn es eine Macht gab, die ihre schützende Hand nicht umsonst über sie gehalten hatte.
    Sie wischte solche Gedanken schnell wieder beiseite. Verlassen durften sie sich nur auf sich selbst.
    Die Zeit verging, und von Cobor war noch nichts zu sehen. Ilfa, Zomfar, Gorbel und Roar hatten nur Augen für das, was vor ihnen war, und so merkte keiner von ihnen, was sich lautlos von hinten anschlich.
*
    Es war ein zuckender, schleimiger Klumpen von nur annähernd menschlicher Form. Wenn er ging, wirkte er wie ein mit Wasser gefüllter Ballon aus dünner Darmhaut, in der die Flüssigkeit schwappte. Ließ
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