Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Trugburg

Die Trugburg

Titel: Die Trugburg
Autoren: Horst Hoffmann
Vom Netzwerk:
er sich nieder, so wurde er flach wie eine Flunder. Sprach er, so kamen seine Worte als nur schwer zu verstehende, quäkende Laute aus seinem muskellosen Mund, und die Augen waren mit der Zeit zu weit hervorstehenden Froschaugen geworden.
    Kannte der Geist des jungen Mermer sich in diesen Wäldern einigermaßen gut aus, so wußte der Xandor um jeden sicheren und jeden gefährlichen Pfad, denn hier war er zu Hause. Er hätte dennoch nicht die Umwege zu machen brauchen, denn keine Kreaturen aus dem Füllhorn mußte er fürchten. Kein geringerer als Kalaun, der Herr des Chaos, hatte ihn mit einem magischen Siegel versehen, auf daß alle Schrecklichen der Schneise ihn in Ruhe ließen. Der Grund für den Umweg war ein anderer. Der Xandor wollte nicht, daß Eroices Mangokrieger ihn in seiner grausamen Gestalt sahen. Sie nämlich wußten, wer dort gegangen oder gekrochen käme, und mehr als einmal war es geschehen, daß ganze Trupps kalter und zorniger Reiter die Flucht vor ihm ergriffen hatten und niemals zurückgekehrt waren. Und gerade jetzt durfte in ihren Reihen keine Verwirrung entstehen, sollten Kalauns Pläne nicht gefährdet werden.
    Eroice hatte den Burgwachen versichert, der Xandor läge in einem Verlies tief unter der Burg gefangen und könnte sich ohne einen von ihr gewirkten Gegenzauber nicht daraus befreien. Sollten die Mangokrieger jedoch jemals zu ihrer Unzufriedenheit arbeiten, so würde die Hexe das halbdämonische Wesen aus seinen Fesseln befreien und auf sie hetzen.
    Das Stöhnen und Schreien, das ab und an aus der Tiefe der Burg kam, war Eroices Zauber. Der es ausstoßen sollte, kam jetzt zurück, um der Hexe eine Nachricht vom Herrn des Chaos zu überbringen. Deshalb der schwierigere Weg durch den Wald, und deshalb drängte es ihn zur Eile.
    Doch als er sich schon so gut wie in der Burg glaubte, entdeckte er die fremden Eindringlinge, wie sie zwischen den Ästen des umgestürzten Baumes lagen und gebannt zu den düsteren Mauern hinaufblickten.
    Sein erster Gedanke war, sie zu töten – entweder selbst oder durch die Mangokrieger, die Eroice leicht auf sie ansetzen konnte. Nicht nur, daß sie hier nichts zu suchen hatten und ganz bestimmt Feinde waren. Vor allem gehörten sie zu den verhaßten Lebenden, die noch alles das ihr eigen nennen dürften, was der Xandor einst besessen hatte.
    Dann aber sah er die emaillene Maske mit den sanften Zügen auf einem der Äste liegen.
    Er ließ sich zu Boden fliegen und schob sich zwischen hohen Farnwedeln näher heran. Das dämonische Herz jagte ihm sein schwarzes Blut so heftig durch den Schleimleib, daß die graue Haut wie bei klirrendster Kälte zitterte, obwohl es dem Xandor heiß war. Darauf hatte er so lange gewartet! Ohne einen Auftrag durfte er die Burg nicht verlassen. Eroice hatte es ihm bei der Androhung schlimmster Strafen verboten. Sie würde die Drohungen wahrmachen, und so war es dem Xandor versagt, den Wald der Masken aufzusuchen und sich dort zu holen, was er so heiß begehrte.
    War sein unförmiger Körper für andere etwas, dessen Anblick genügte, um sie in den Wahnsinn zu treiben, so war er für ihn noch ungleich schlimmer zu ertragen. Er mußte in ihm leben. Er war verflucht bis ans Ende seiner Tage. Unter den Qualen, den er ihm bereitete, hätte er immerfort brüllen können. Niemals würde er sich an ihn gewöhnen können. Er haßte ihn. Er hatte Eroice so oft angefleht, einen Zauber zu wirken, um ihn davon zu befreien. Entweder versagte sie es ihm, um noch mehr Gewalt über ihn zu besitzen, oder sie vermochte den Fluch wahrhaftig nicht aufzuheben.
    Und dort auf dem Ast, zwei Armlängen von der jungen Menschenfrau entfernt, lag eine Totenmaske der Aegyr!
    Der Xandor spürte sofort, daß ein kräftiger Geist in ihr lebte. Dazu reichte sein magisches Können aus. Oh, er wußte um das Wesen der Magie, vielleicht mehr noch als die Hexe. Doch hatten die Aegyr schon früh darauf geachtet, daß er sein Wissen nicht in Beherrschung ummünzen konnte.
    Für das, was ihm so jäh durch den Sinn schoß, aber mußte es genügen!
    Er glitt wie eine Qualle von Menschengestalt auf die Baumkrone zu, floß unter und zwischen den Zweigen dahin, ohne einen Laut zu verursachen. Die Menschen und ihr grünhäutiger Begleiter sahen sich nicht um – und sahen auch nicht, wie sich eine graue Schleimhand in die Höhe schob und nach der Totenmaske griff. Der Xandor spürte, daß der ihr innewohnende Aegyr-Geist schreien wollte, und brachte ihn mit einem einfachen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher