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Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila
Autoren: Wolfgang Jaedtke
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herumzureden“, da den weltlichen Fürsten immer weniger daran gelegen war, den Bekehrungs- bzw. Vernichtungsauftrag der Kirche auszuführen. Stattdessen schonten sie die Slawen, und Heinrich der Löwe gab sich einstweilen mit Tributzahlungen, Auslieferung der Gefangenen und der Taufe seiner Gegner zufrieden. In den vorwurfsvollen Worten Helmolds: „So wurde diese große Unternehmung mit geringem Erfolge beendigt; denn gleich nachher trieben die Slawen es noch ärger, da sie weder die Taufe achteten noch aufhörten, die Dänen zu berauben.“ (Helmold [s.o.] S. 229.)
    Was vielleicht erstaunlich klingen mag
    Manche Schilderungen im Roman entsprechen nicht dem Bild, das wir uns gewöhnlich vom Mittelalter machen. Ein Beispiel sind die Burgen. Im Hochmittelalter – besonders in der damals rückständigen Region Norddeutschland – waren viele Burgen nicht mehr als Wohntürme, oft auf künstlichen Erdhügeln („Motten“) gelegen und von schlichten Steinmauern, zuweilen sogar nur von Erdwällen mit Holzpalisaden umgeben. Erst im Verlauf der Kreuzzugsepoche wuchsen sie zu mächtigen Wehrbauten empor.
    Auch das Rittertum des Hochmittelalters entsprach nicht dem Klischee, das wir heute aus den Medien gewohnt sind. Gewöhnlich denken wir an die Ritter des Spätmittelalters, schwer gepanzerte Männer mit federbuschgekrönten Helmen, bemalten Wappenschilden und prächtigen Überröcken. Um 1150 jedoch trug der europäische Ritter meist noch ein schlichtes Kettenhemd und dazu eine Kettenhaube, die den Kopf schützte, seltener einen spitzen Helm mit Nasenschutz. Auch Wappen waren eine relativ neue Erfindung, nicht allgemein verbreitet und auch noch nicht durch rechtliche Regelungen geschützt.
    Insbesondere jedoch muss man sich von der Vorstellung verabschieden, Ritter seien grundsätzlich Adlige gewesen. Tatsächlich bildete das Rittertum erst im 13. Jahrhundert einen erblichen Stand. Bis dahin gab es keine allgemeinverbindliche Definition des Ritters, abgesehen von seiner Funktion als berittener Kämpfer. Auch die „Ehrenkodizes“ sind erst Ausflüsse der Ordensritterethik, die bei den Kreuzfahrern im Orient entstand und vor allem durch kirchliche Ordensregeln geprägt wurde.
    Im 12. Jahrhundert waren es noch vielfach Nicht-Adlige, die von ihren fürstlichen Dienstherren als Ritter aufgeboten wurden. Unter ihnen spielte der Stand der sogenannten Ministerialen (oder „Dienstmannen“) eine wichtige Rolle, von denen im Roman mehrfach die Rede ist. Dienstmannen waren unfreie Beamte oder Verwaltungsbevollmächtigte eines Fürsten, die oft eingesetzt wurden, um abgelegene Besitzungen als Burgvögte oder Steuereinnehmer zu verwalten. Diese Dienstmannen waren an die persönlichen Weisungen ihres Herrn gebunden und brauchten seine Genehmigung, um ihren Amtssitz zu verlassen oder eine Ehe zu schließen. Durch die Verwaltung fürstlicher Besitzungen konnten sie jedoch oft ein gutsherrliches Leben führen und näherten sich dadurch in Lebensstandard und Selbstbewusstsein dem niederen Adel an. Es verwundert daher nicht, dass der Stand der aufstrebenden Unfreien für viele verarmte Adlige eine große Attraktivität besaß. Ein Ritter ohne Land – wie Hartmann von Aslingen – konnte seine Stellung faktisch verbessern, wenn er auf seinen Adel verzichtete und Dienstmann eines Fürsten wurde.
    Ein weiteres, ganz anderes Detail mag ebenfalls erstaunlich anmuten: In der Mitte des 12. Jahrhunderts gab es noch keine kirchliche Inquisition und keine offiziellen Hexenverfolgungen. Die Gründung der Inquisition erfolgte erst einige Zeit später als Reaktion auf die laienchristlichen Reformbewegungen in Frankreich. Der Hexenglaube war zwar im Volk verbreitet, doch betrachtete die Kirche ihn offiziell noch als heidnischen Aberglauben, da man es nicht für möglich hielt, dass Gott die Existenz von Zauberei zulasse. Erst im 13. Jahrhundert änderte sich die Position der Kirche, vor allem durch die Schriften des Theologen Thomas von Aquin.
    Slawische Kultur
    Die zur Zeit des Kreuzzugs in Ostdeutschland lebenden („Elb“-)Slawen, von den Deutschen „Wenden“ genannt, sind nicht nur ein wichtiges Stück deutscher Geschichte, sondern zugleich eine der letzten nichtchristlichen Stammeskulturen Europas. (Einige hervorragende Quellen sind: Joachim Herrmann [Hg.]: Welt der Slawen: Geschichte, Gesellschaft, Kultur, München 1986. Ferner: Alfried Wieczorek u. Hans-Martin Hinz [Hg.]: Europas Mitte um 1000: Beiträge zur Geschichte, Kunst und
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