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Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila
Autoren: Wolfgang Jaedtke
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unmittelbarer Nachbarschaft zu bekehren gab? Die Idee fand die Zustimmung der Kirche. Der Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux – Kreuzzugsprediger, begnadeter Agitator und enger Vertrauter des Papstes – verfasste umgehend einen Aufruf, in dem er den Teilnehmern der Wendenfahrt die gleichen Ablässe gewährte wie den Orientpilgern. Wörtlich forderte er, die slawischen Stämme entweder „völlig zu vernichten oder auf immer zu bekehren“. Da er ahnte, dass die sächsischen Fürsten vor allem auf Land und Tribute aus waren, beugte er zudem einer friedlichen Einigung vor: „... das untersagen wir ganz und gar, dass sie auf irgendeine Art mit ihnen einen Vertrag schließen; weder für Geld noch für sonstigen Tribut dürfen sie es tun, bis mit Gottes Hilfe entweder ihre Religion oder ihr Stamm vernichtet ist.“ (Vgl. Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke , hg. v. Gerhard Winkler, Innsbruck 1992. Epistula 457, Bd. 3, S. 890ff.)
    Maßgebliche Träger der Kreuzzugsidee dürften vor allem zwei mächtige Fürsten gewesen sein: der noch jugendliche Sachsenherzog Heinrich der Löwe und Markgraf Albrecht von Ballenstedt. Beide herrschten über Gebiete, die direkt an das Slawenland grenzten, Heinrich über Sachsen (worunter damals das heutige Niedersachsen verstanden wurde), Albrecht über die Nordmark, die etwa dem heutigen Sachsen-Anhalt entspricht. Beide durften hoffen, durch Landgewinne östlich der Elbe ihre eigenen Besitzungen zu vergrößern. (Vgl. Reinhard Kessler, Der Wendenkreuzzug – Legaler Seitentrieb der Kreuzzugsbewegung oder ideologisch verbrämtes Expansionsstreben? Grin Verlag 2004. S. 4–9.)
    Da Heinrich und Albrecht Erzfeinde waren – sie hatten noch wenige Jahre zuvor um den Herzogstitel in Sachsen Krieg geführt–, schlossen sie sich für den Kreuzzug nicht zusammen, sondern stellten jeweils ein eigenes Heer auf. Albrecht stieß von Magdeburg aus in die Mark Brandenburg vor, Heinrich mit einer kleineren Heeresgruppe ins heutige Mecklenburg. (Die Jahrbücher von Magdeburg. [= Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit Bd. 63], Leipzig 1895. Ferner: Helmold von Bosau, Slawenchronik, neu übertragen u. erläutert v. Heinz Stoob, Darmstadt 2002.)
    Heinrich der Löwe, eine der herausragenden Herrschergestalten des Hochmittelalters (eine der bekanntesten Monographien ist: Paul Barz, Heinrich der Löwe und seine Zeit , München 2008), war zur Zeit des Kreuzzugs gerade achtzehn Jahre alt, verwaist, von vielen Konkurrenten bedrängt und in einer noch unsicheren Machtposition. Seinen Beinamen „Löwe“ („Leo“) erhielt er schon in jungen Jahren, denn er zeigte sich stolz, ehrgeizig und zuweilen skrupellos im Ausbau seiner Macht. Den slawischen Fürsten Niklot hoffte er in kurzer Zeit niederzuwerfen, um dessen Land seinem Herzogtum einverleiben oder zumindest regelmäßige Tributzahlungen fordern zu können. Über den Verlauf seines Heereszuges ist nur wenig bekannt. (Vgl. jedoch die exzellente Rekonstruktion bei Gaethke: Hans-Otto Gaethke, Herzog Heinrich der Löwe und die Slawen nordöstlich der unteren Elbe [= Kieler Werkstücke, Reihe A Bd. 24], Diss. 1998, Frankfurt a.M. 1999; S. 71–106.). Nicht einmal der Sammelpunkt ist überliefert; allerdings spricht vieles für die Ertheneburg (gegenüber dem heutigen Artlenburg am nördlichen Steilufer der Unterelbe), die damals wichtigste Grenzfestung zum Slawenland. Das Heer muss relativ geradlinig zum Schweriner See gezogen sein, wo die genauere Überlieferung mit der Belagerung der Festung Dobin wieder einsetzt.
    Die mächtige hölzerne Fluchtburg, die der Slawenfürst Niklot erst kurz vor dem Kreuzzug errichten ließ, lag strategisch günstig auf einer schmalen Landenge zwischen dem nordöstlichen Ende des Schweriner Sees und der Döpe, einem kleineren Nebensee. ( Peter Ettel, Die Burg von Dobin, in: Mecklenburgs Humboldt: Friedrich Lisch [= Archäologie in Mecklenburg-Vorpommern Bd. 2], hg. vom Archäologischen Landesmuseum und Landesamt für Bodendenkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern; Ausstellungskatalog Schwerin 2001, S. 67–70.) Die Belagerung dauerte Wochen oder Monate, wobei nach einiger Zeit ein dänisches Heer von Norden hinzustieß, um die Kräfte des Herzogs zu verstärken. Da die Dänen in ihrer Wachsamkeit nachlässig waren, unternahmen die Slawen in der Burg einen Ausfall, bei dem sie zahlreiche Dänen gefangen nahmen. Am Ende jedoch, so vermerkt der Chronist Helmold mit spürbarer Missbilligung, „begann man [...] im Heere
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