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Die Toteninsel

Die Toteninsel

Titel: Die Toteninsel
Autoren: Hubert Haensel
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zu bekommen, aber obwohl sie sogar die Schlange des Bösen auf den Plan gerufen hatten, wollte ihnen dies nicht recht gelingen.
    Carlumen raste durch ein Meer von Feuer. Zuckende, lodernde Flammen waren überall. Und dazwischen die düsteren Umrisse hoch aufragender Felsen.
    Weder, der Königstroll noch der Aase bemerkten Mythor und die Wetterhexe. Für sie gab es nur die DRAGOMAE-Kristalle, die sie vorsichtig über das Heptagramm schoben – nach einem genau festgelegten Muster, das in magischen Vorgängen begründet war. Die Kristalle verteilten sich fast ausschließlich über die Zacken des äußeren Sterns, was eine gewisse Stabilität herbeiführen sollte.
    Vorerst allerdings war wenig davon zu bemerken. Carlumen bäumte sich auf wie ein scheuendes Pferd, das zum erstenmal den Sattel spürt.
    Nichts war bedrückender für Mythor, als zur Untätigkeit verurteilt zu sein. Glair, die seine Verzweiflung spürte, legte ihm beruhigend ihre Hand auf den Arm.
    Dann riß die Feuerwand auf. Hinter Dampf und schäumender Gischt erstrahlte die Sonne in blendender Helligkeit. Die Fliegende Stadt trieb keine zwanzig Schritte hoch über der aufgewühlten See dahin. Flüchtig zeichnete sich vor dem blauen Himmel der übergroße Schädel einer Schlange mit gezacktem Rückenkamm ab. Ein Zischen war zu vernehmen:
    »Vergeßt nicht, wer euch gerettet hat.«
    Mythor lachte.
    »Du kannst nicht anders, Yhr, denn dein Schicksal ist durch den tillornischen Knoten eng mit dem unseren verknüpft. Wenn wir untergehen, verdirbst du mit uns.«
    Der Sturm kam jetzt von Norden her, aber die Kraft der Schlange reichte aus, ihn zu überwinden. Ein mächtiger, sich rasch ausbreitender Rauchpilz verdunkelte hinter Carlumen die Sonne. Noch immer wurden Glut und Asche hochgeschleudert, doch ließ sich nun das Geschehen besser überblicken.
    Ein neuer Archipel wuchs aus der Tiefe des Meeres ans Licht empor. Ringsum kochte die See.
    »Nichts ist beständig«, murmelte der Kleine Nadomir. »Wenn die Welt ihr Antlitz auf erschreckende Weise verändert, wenn Feuer auf dem Wasser schwimmt und heiße Asche sich in die Luft erhebt, ist der Tag nicht mehr fern…«
    Es fiel Mythor schwer, sich vom Anblick des aufsteigenden Landes loszureißen.
    »Wovon sprichst du?« wollte er wissen.
    »Mein Volk kennt viele uralte Gesänge«, erwiderte Nadomir. »Sie betreffen den Tag der Entscheidung. Gibt es eine treffendere Beschreibung für das, was hinter uns liegt?«
    Mythor schwieg. In Gedanken stellte er sich eine einzige Frage:
    Was ist ALLUMEDDON?
    Der Tag der Entscheidung?
    Erst wenn er sicher sein durfte, die richtige Antwort zu erhalten, würde er seine Frage laut aussprechen.

2.
    Die Nacht brach früher herein, als man es von diesen Breiten gewohnt war. Vermutlich hatten die Aschewolken Schuld daran, die nahezu den gesamten südlichen Horizont verdunkelten.
    Unter der Fliegenden Stadt tobte die See. Zwei mehrfach mannshohe Flutwellen hatten Carlumen längst eingeholt.
    Zum Glück hielten die Schäden sich in Grenzen. Jeder an Bord packte kräftig mit an, um auch die letzten Spuren schnell zu beseitigen. Dutzende Fackeln verbreiteten einen gespenstischen Schein, in dessen Gefolge verzerrte Schatten von der Fliegenden Stadt Besitz ergriffen.
    Mythor war allein, als er vom Bugkastell herab durch den Garten zum Wurzelstock des Lebensbaums ging. Hoch über ihm leuchteten fremde Sterne – die Bilder, die sie zeigten, kannte er nicht. Die Nacht war fast wolkenlos. Lediglich weit im Süden ballte sich eine schier undurchdringliche Schwärze. Dort wetterleuchtete es unablässig.
    Der frische Trieb am Baum des Lebens hatte nicht gelitten. Sein zartes Grün schimmerte unter der Asche hervor. Er war ein Omen für bessere Zeiten, die kommen sollten.
    Viele Anzeichen deuteten auf eine baldige Rückkehr des Lichtboten hin. Unwillkürlich blickte Mythor erneut zum Himmel auf, wo in diesem Augenblick ein Meteor seine feurige Bahn zog. Vielleicht eine halbe Tagesreise entfernt schlug der Himmelsstein ins Meer.
    »Du siehst zu den Sternen empor und fragst dich, was die Zukunft bringen wird…«
    Mythor hatte die zierliche Gestalt nicht bemerkt, die sich ihm von der Wehr her näherte. Überrascht sah er dem Jüngling mit dem schwarzen Kraushaar und der gelbbraunen Haut entgegen.
    »Ich frage mich«, sagte er, »wie viele Tagesreisen wir noch von Tata entfernt sein mögen.«
    »Meine Heimat, die von den Dunkelmächten bedroht wird, ist bereits näher, als du glaubst.« Tobar
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