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Die Toteninsel

Die Toteninsel

Titel: Die Toteninsel
Autoren: Hubert Haensel
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verweilen, hier konnte niemand etwas ausrichten. Selbst Glairs Versuch, rings um Carlumen eine halbwegs beruhigte Zone entstehen zu lassen, war zum Scheitern verurteilt.
    Ein ohrenbetäubendes Dröhnen wurde laut, daß selbst die Luft erzitterte.
    »Was ist das?« Mythor mußte schreien, um sich überhaupt noch verständlich zu machen.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Glair. »So etwas habe ich nie erlebt. Meine Sinne sind wie taub.«
    Der Widerschein lodernder Glut durchdrang den Dunst. Als hätte das Meer zu brennen begonnen.
    Schlagartig trat Stille ein. Der Sturm verstummte. Was blieb, war eine unnatürliche Schwärze, waren dicht geballte Regenwolken und feurige Lohen.
    »Ist es zu Ende?« Angestrengt versuchte Mythor, den Dunst zu durchdringen.
    Ein leises, sich rasch steigerndes Fauchen ertönte, als würde Dampf aus einer Erdspalte emporströmen. Und dazwischen das satte Geräusch zerplatzender Blasen.
    Innerhalb weniger erschreckter Herzschläge wurde das Fauchen zum schrillen Pfeifton.
    Gellend schrie Glair auf, als sie erkannte, welche Gefahr der Fliegenden Stadt drohte. Aber es war bereits zu spät, um irgend etwas dagegen zu unternehmen.
    Die See tat sich auf, eine riesige Wassersäule stieg etliche hundert Schritt weit in die Höhe. Der entstehende Sog zerrte Carlumen unaufhaltsam darauf zu. Glühende Gesteinsbrocken wurden mit emporgerissen. Zugleich setzte der Sturm mit erneuter Heftigkeit ein. Gleich einem welken Blatt im Herbstwind wirbelte die Fliegende Stadt herum.
    Es wurde merklich wärmer. Und das als feiner Nieselregen herabkommende Wasser war fast schon heiß.
    Zu sehen war kaum etwas, weil inzwischen dichte Dampfschwaden die Fliegende Stadt einhüllten.
    Schroffe Felsen, messerscharfe Grate ragten aus dem Meer auf. Überall waren Glut und Rauch, und wo die Elemente aufeinandertrafen, entstand ein brodelnder Hexenkessel.
    Eine heftige Erschütterung riß Glair von den Beinen. Sie stürzte, schlug schwer hin und rutschte auf dem plötzlich schräg stehenden Deck ab.
    Mythor bekam gerade noch ihren roten Umhang zu fassen, während er sich mit der anderen Hand am Treppenabgang festklammerte. Verzweifelt suchte die Seehexe nach einem Halt; jeden Moment konnte ihr Mantel zerreißen. Vorübergehend berührte Carlumen die schäumenden, glutenden Wogen. Asche fiel. Im Nu war das Deck von einer dünnen, schwarzen Schicht überzogen; hier und da flackerten winzige Brände auf, die aber in der herrschenden Nässe schnell wieder erstickten.
    Mythor drohte ebenfalls abzurutschen.
    »Laß mich!« schrie Glair. »Bringe dich lieber in Sicherheit.« Ihre Worte verhallten ungehört.
    Der Sohn des Kometen sah die Verzweiflung in ihren Augen. Nur eine halbe Handbreit trennte ihre Fingerspitzen von den seinen.
    Schwere Brecher rollten über Carlumen hinweg. Mythor hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Heißes Salzwasser drang ihm in Mund und Nase ein und brannte fürchterlich in seinen Augen. Ein schier unwiderstehlicher Hustenreiz peinigte ihn.
    Er fühlte, daß der Stoff seinen Fingern entglitt, doch er konnte nichts dagegen tun. Im nächsten Moment bäumte die Fliegende Stadt sich förmlich auf. Glairs Körper wirbelte heran und riß ihn mit sich.
    Mythor begriff noch, daß er stürzte, dann schlug er hart mit dem Hinterkopf auf, und alles um ihn her versank in einem wohltuenden Schweigen.
*
    Schläge, die seine Wangen brennen ließen, holten ihn ins Wachsein zurück. Es fiel ihm unsagbar schwer, die Augen zu öffnen, und selbst dann konnte er nicht viel mehr als vage Schatten erkennen, die sich über ihn beugten.
    Das Tosen des Sturmes, das Ächzen der Schwammscholle, all das schien unverändert und verriet ihm, daß er kaum länger als einige Augenblicke ohne Besinnung gewesen sein konnte.
    Zarte Hände halfen ihm auf, drückten ihn flüchtig. Dann stand er wieder allein auf schwankendem Boden. Ein wenig benommen zwar, doch diese Benommenheit verflog schnell.
    Er war die Treppe im Bugkastell hinabgestürzt, und Glair mit ihm. Auch hier unten stand das Wasser fast fußhoch. Der gut zehn Schritte messende, in vielen Farben schillernde Körper der Schlange Yhr wand sich durch die Magierstube bis in die Brücke. Manchmal zeigte sie auch ihren anderen Leib, den, der Carlumen in sich trug, und mit dem sie an unverständliche Bereiche rührte.
    Mythor sah, daß das Steuerpendel über dem Siebenstern heftig ausschlug. Der Kleine Nadomir und Lankohr gaben sich alle Mühe, die Fliegende Stadt wieder unter Kontrolle
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