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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho
Autoren: Colin Dexter
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ein paar Monaten auf einer Party getroffen. Sie hatten ein bißchen zuviel getrunken und waren sehr nett zu mir. Ich hatte g e hofft, Sie würden sich mal bei mir melden, aber das haben Sie nicht getan. Darf ich Sie trotzdem jetzt um etwas bitten, was mir sehr wichtig ist: Bitte übergeben Sie den beigefügten Brief dem auf dem Umschlag angegebenen Empfänger. Und bitte tun Sie es selbst, und geben Sie ihn ihm nur persö n lich. Was ich vorhabe, ist feige und egoistisch – ich weiß. Aber ich kann nicht mehr weitermachen. Ich will auch nicht mehr.
    Anne Scott
     
    Lewis war mit den Bieren zurück und setzte sich schweigend Morse gegenüber.
    »Haben Sie gelesen, was sie geschrieben hat, Lewis?«
    »Nein, der Brief war ja an Sie gerichtet.«
    »Sie hat einen letzten Wunsch gehabt«, sagte Morse, »und ich denke, den sollte ich ihr erfüllen.« Er schob Lewis den an Richards adressierten Brief über den Tisch. »Würden Sie ihn bitte zukleben und dafür sorgen, daß er ihn so schnell wie möglich bekommt?«
    War das, was er da tat, wirklich richtig? Der Brief würde Richards schlimmen Schmerz zufügen und es ihm schwermachen, seine Schuld an ihrem Tod weiterhin zu leugnen. Aber wenn man ihm diesen Schmerz ersparte, dann nahm man ihm auch ein Stück Leben. Leben war auch Schmerz und Verzweiflung – und Scham. Das hatte er selbst gerade zu spüren bekommen. Ich hatte gehofft, Sie würden sich mal bei mir melden, hatte sie geschrieben, aber das haben Sie nicht getan. Hätte sie doch nur geahnt, was ihn hinderte, hätte sie es doch nur geahnt …
    Er fühlte, wie Lewis ihm die Hand auf die Schulter legte, und hörte ihn sagen: »Vergessen Sie nicht Ihr Bier, Sir!«
     

Epilog
     
    Jericho hat sich seit den Ereignissen, die in diesem Buch beschrieben wurden, nur wenig verändert. Canal Reach allerdings ist inzwischen verschwunden. Die eingeschossigen Reihenhäuser wurden abgerissen – auch Nr. 9 und 10, in denen Anne Scott und George Jackson lebten und starben. Wo noch vor gut einem Jahr die kleine Sackgasse verlief, erhebt sich jetzt ein riesiger Neubaublock. Mrs Purvis aus Nr. 7, die aus der Gegend nicht weg wollte, ist dort eingezogen (natürlich zusammen mit Graymalkin), und auch der junge Polyhistor, der Morse – gründlicher, als ihm lieb war – über die Geschichte Jerichos belehrte, hat sich dort eine Wohnung genommen. (Er studiert übrigens seit dem letzten Frühjahr an der Universität London Ökologie.) Von den anderen, die in der Geschichte eine Rolle spielten, sind einige weggezogen, andere gestorben. Mrs Beavers aber gibt es noch; sie führt wie eh und je die Post, und auch Mr Grimes sitzt nach wie vor, inmitten einer Unmenge von Schlüsseln, Schlössern und Diebstahlsicherungsanlagen, in seinem Eckladen in der Great Clarendon Street. Und über allem ragt weithin sichtbar der Glockenturm von St. Barnabas.
    Möglicherweise möchte der geneigte Leser auch etwas über das weitere Schicksal einiger in Oxford lebender Personen erfahren. Michael Murdoch wurde einige Wochen später aus dem Krankenhaus entlassen und konnte mit einer Ausnahmegenehmigung noch in das bereits angelaufene Herbstsemester einsteigen. Seit seiner Verletzung damals trägt er eine schwarze Klappe über dem rechten Auge, die ihm ein sehr verwegenes Aussehen gibt, was ihm bei seinen Beziehungen zum anderen Geschlecht durchaus zum Vorteil gereicht. Sein Bruder Edward hat vor knapp einem Jahr Abitur gemacht und im Fach Deutsch erwartungsgemäß mit der Note sehr gut abgeschlossen. Der Bridgeclub in Nord-Oxford erfreut sich einer ständig wachsenden Mitgliederzahl. Als unlängst Mr Parkes starb und der Club zu seiner Beerdigung einen Kranz kaufte, standen auf der Schleife, wie Mrs Briggs mehrere Tage lang jedem, der es hören wollte, nicht müde wurde zu erzählen, nicht weniger als sechsunddreißig Namen. Die Beisetzung fand übrigens genau an demselben Tag statt, an dem ein Oxforder Schwurgericht Charles Richards des Mordes an George Jackson für schuldig befand. Zur großen Überraschung seiner Kollegen und Vorgesetzten faßte Detective Constable Walters irgendwann Mitte letzten Jahres den Entschluß, die Polizei zu verlassen und statt dessen zur Armee zu gehen. Besonders Superintendent Bell, der sich übrigens als hervorragend geeignet für seine jetzige Aufgabe erwies, mißbilligte seine Entscheidung und versuchte in einem längeren Gespräch, ihn umzustimmen, was jedoch fehlschlug. Anfang dieses Jahres wurde Sergeant Lewis’ älteste
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