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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho
Autoren: Colin Dexter
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denn er begreift sofort, wie entscheidend wichtig es ist, den Mord unverzüglich zu melden, und zwar noch solange sein Bruder auf dem Podium des Clarendon Institute steht und ihm damit ein Alibi verschafft. So ruft er uns an – anonym natürlich – und macht dann, daß er wegkommt. Conrad und er sind am Martyrs’ Memorial verabredet; gegen Viertel nach zehn hat Conrad ihn da abgeholt.«
    »Und hat er den Brief noch gefunden?«
    »Er sagt nein, und ich bin geneigt, ihm zu glauben.«
    »Sie erwähnten eben, daß der Termin des Vortrags auf Charles Richards’ Wunsch vorverlegt worden sei – gehörte diese Änderung des Datums schon zu ihrem Plan?«
    »Nein, ich denke nicht. Charles mußte Ende Oktober/Anfang November sowieso geschäftlich nach Spanien und fragte seine Freundin, eine gewisse Mrs Jennifer Hills, ob sie ihn begleiten könne. Sie wollte zwar, konnte aber nur zwischen dem 23. und dem Monatsende. Deshalb rief Charles den Vorsitzenden der O. L. G an und bat ihn, den Vortrag zu einem früheren Zeitpunkt halten zu dürfen. Im nachhinein sollte diese Vorverlegung sich dann als wahrer Glücksfall erweisen.«
    »Weil sowenig Leute kamen. Wieviel, sagten Sie, waren da? Fünfundzwanzig?«
    »Ja. Das lag aber auch daran, daß sie mit dem Ausweichtermin selbst auch noch mal großes Schwein gehabt hatten. Am 19. war abends nämlich die Übertragung der Wahl zur Miss Universum oder Miss Welt oder wie das heißt, und das hat natürlich viele Leute vor den Fernseher gelockt.«
    »Ich muß schon sagen, ich finde es ja sehr bemerkenswert, daß Sie sich angesichts dieser Möglichkeit für den Vortrag im Clarendon Institute entschieden haben. Oder haben Sie nichts von der Übertragung gewußt?«
    »Haben sie denn wenigstens die Richtige gekürt?«
    »Nein, ich war sogar ausgesprochen enttäuscht; ich fand – also, Sie schaffen es doch immer wieder … weiter!«
    »Ich nehme an, daß Charles seinem Bruder auf der Heimfahrt nach Abingdon alles erzählte. Sie werden ziemlich gedrückter Stimmung gewesen sein, als sie sich überlegten, in welchem Schlamassel Charles jetzt steckte, und werden ziemlich schnell realisiert haben, daß das wichtigste jetzt war, den Schein aufrechtzuerhalten. Gefahr, wirkliche Gefahr drohte erst, wenn im Zusammenhang mit unseren Ermittlungen im Fall Scott sein Name ins Spiel käme und wir herausfänden, daß Conrad den Vortrag gehalten hatte, Charles also für den Abend des 19. kein Alibi besaß. Die Brüder entwickelten daraufhin eine Strategie, mit dem Ziel, uns zu täuschen, deren erster Schritt war, Celia einzuweihen – ihr fiel ja bei dem Ganzen eine nicht unwesentliche Rolle zu.«
    Der ACC nickte. »Es ist den dreien ja erstaunlich lange gelungen, Sie an der Nase herumzuführen. Eigentlich ist mir nicht ganz klar, wieso Sie nicht eher …«
    »Das lag daran, daß Sergeant Lewis und ich jeweils immer allein waren, wenn wir einen der Brüder trafen, andererseits aber natürlich auch die Brüder nie zusammen in Erscheinung traten. Ich nehme an, das ist etwas verwirrend für Sie – ich werde am besten mal erzählen, wie es konkret ablief. Ich traf den Mann, der sich Charles Richards nannte, in Wirklichkeit aber Conrad Richards war, zum erstenmal am Abend des 19. im Clarendon Institute, wo er einen Vortrag hielt. Am nächsten Tag rief ich bei Charles Richards zu Hause an; da hatte ich natürlich den echten Charles Richards am Apparat, aber ich kam gar nicht auf die Idee, daß mein Gesprächspartner jemand anderer sein könnte als der Mann, mit dem ich am Abend zuvor gesprochen hatte, und ich achtete nicht besonders auf seine Stimme. Außerdem war, wie ich mich erinnere, die Verbindung nicht sehr gut, es war ein starkes Rauschen in der Leitung, und dadurch war seine Stimme für mich nicht klar zu hören. Zwei Tage später versuchte ich erneut, ihn zu erreichen, und zwar diesmal in der Firma. Aber er war nicht da, und ich hinterließ eine Nachricht bei seiner Sekretärin, er möge sich bei mir melden. Charles Richards meldete sich auch – nur war es natürlich Conrad, der mich anrief. Das zu arrangieren war ja ein leichtes, da er sein Büro nur ein Stockwerk höher im selben Haus wie Charles hatte. In diesem Gespräch nun bat ich um eine persönliche Unterredung. Ich weiß noch, daß Conrad alias Charles darüber nicht besonders glücklich war, was auch verständlich ist, weil in diesem Fall, um die Täuschung aufrechtzuerhalten, doch relativ umfangreiche organisatorische Maßnahmen erforderlich
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