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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho
Autoren: Colin Dexter
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Mann Conrad Richards sei …«
    »Was mich jetzt aber noch interessieren würde, Morse – ich nehme doch an, Sie haben Charles Richards tatsächlich noch Fingerabdrücke abgenommen und sie mit denen aus Jacksons Haus verglichen, oder?«
    »Ja.«
    »Und? Waren sie identisch?«
    »Äh … also eigentlich nicht, nein. Ich fürchte, äh … daß ich selbst, äh … nicht ganz die nötige Vorsicht habe walten lassen, äh, und …« Der ACC hatte sich langsam von seinem Stuhl erhoben und sah Morse drohend an. »Soll das etwa heißen …?«
    Morse senkte schuldbewußt den Kopf. »Ja, Sir. Sie vermuten richtig. Die Fingerabdrücke, die wir bei Jackson gefunden hatten, stammten von mir.«
     

Kapitel Neununddreißig
     
    Die Mühsal unsres stolzen zorn’gen Staubs
    gibt es von Ewigkeit, für immerdar.
    Doch wir können sie tragen, und so müssen wir’s.
    Schultre den Himmel, mein Junge, und trink dein Bier.
    A. E. Housman, Last Poems
     
    Wenn man von ein paar noch ungeklärten Details absah, konnte man die Fälle Scott und Jackson als gelöst betrachten. Doch Morse wußte, als er am nächsten Morgen in seinem Büro saß und noch einmal über alles nachdachte, daß er diese Akten nicht schließen würde, ehe er nicht auch sie einordnen konnte. Am meisten beschäftigte ihn die Frage, wo der Brief stecken mochte, den Charles Richards an Anne Scott geschrieben hatte. Oder war das nur eine fixe Idee von ihm? Denn ob er sich nun fand oder nicht – er würde die beiden Fälle kaum in einem anderen Licht erscheinen lassen. Es stand unzweifelhaft fest, daß der Brief der direkte Auslöser für ihren Entschluß zum Selbstmord gewesen war; genauer gesagt, einer der beiden Auslöser, denn sie hatte am Morgen des 3. gegen acht, als die Post kam, zwei Briefe erhalten: einen von den Jericho Testing Laboratories, in dem ihr bestätigt wurde, daß sie schwanger war, und einen zweiten, den Brief von Charles, in dem er ihr den Wunsch, sich mit ihm zu treffen, abschlug.
    Morse nickte mehrmals mit dem Kopf: ja, es waren diese beiden Briefe gewesen, die als Katalysatoren gewirkt und ihre Tat beschleunigt hatten – nicht die Gespräche im Bridgeclub über Geburtstage und Adoptionen, wie er zu Anfang angenommen hatte. Aber wieso war sie schon so früh aufgewesen? Gewöhnlich blieb sie doch, wie er erfahren hatte, mittwochs lange, oft bis zum Mittag, im Bett, weil das Bridgespiel sich immer bis weit in die Nacht hinzog. Und was war der Grund, daß sie Edward Murdoch abgesagt hatte? Hatte sie vielleicht, auch wenn sie sich nicht in der Nachfolge der Königin Iokaste gesehen hatte, wie er nun wußte, doch einen gewissen morbiden Zug in ihrem Charakter gehabt und geglaubt, daß sie einem unbarmherzigen Schicksal hilflos ausgeliefert sei? Wenn er nur wüßte, was sie in den frühen Morgenstunden des Mittwoch, nachdem sie vom Bridge nach Hause gekommen war, gemacht hatte! Plötzlich verzog er nachdenklich die Stirn. Wieso war er eigentlich die ganze Zeit davon ausgegangen, daß sie aufgeblieben war? Er hatte sich immer vorgestellt, daß sie, bevor sie ihren Entschluß zum Selbstmord in die Tat umsetzte, noch ein paar furchtbare, quälende Stunden damit zugebracht hatte, über ihren Entschluß nachzugrübeln und in Gedanken Abschied zu nehmen. Aber natürlich konnte es ganz anders gewesen sein. Es war durchaus möglich, daß sie nach ihrer Heimkehr zu Bett gegangen war, geschlafen hatte, dann am Morgen früh aufgestanden war und … Da war er wieder bei der Frage, warum sie überhaupt so früh schon aufgewesen war.
    Morse seufzte. Die Dinge paßten nicht zusammen; hoffentlich kam Lewis bald, damit er mit ihm darüber reden konnte. (Wo steckte er überhaupt? Er hätte doch längst dasein müssen.) Er zündete sich eine Zigarette an und dachte an jenen Abend vor nun vier Monaten, an dem er und Anne sich auf Mrs Murdochs Party getroffen hatten. Wenn damals nicht ein unglückseliger Zufall gewollt hätte, daß er ausgerechnet an diesem Abend weggerufen wurde … Er sah noch Lewis vor sich, wie er ins Zimmer getreten, ein wenig verlegen auf ihn zugekommen war und gefragt hatte: › Können wir los, Sir?‹ Und er hatte geantwortet: ›Ja, ja, sofort.‹ Und dann waren sie gegangen.
     
    »Guten Morgen, Sir!« Lewis strahlte wie der junge Tag. »Es tut mir leid, daß ich mich etwas verspätet habe, aber …«
    »Ein bißchen? Ich warte schon seit einer Ewigkeit, daß Sie hier endlich auftauchen«, knurrte Morse unfreundlich.
    »Aber gestern haben Sie doch
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