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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross
Autoren: Iain Mc Dowall
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denen Grove gesessen hat, mit wem er die Zelle geteilt hat, wer noch drin ist, wer draußen, und so weiter.«
    »Denken Sie, der Mord hat mit Groves Haftzeit zu tun?«
    »Grove hatte einen Feind, oder gleich mehrere, das scheint ziemlich eindeutig, und er hat den Großteil seines Erwachsenenlebens hinter Gittern verbracht. Wenn es also eine Sache war, die nicht hier in der Gegend entstanden ist, woher könnte sie dann rühren? Seine Gefängniszeit ist auf jeden Fall wichtig für uns.«
    »Und das Zweite?«
    »Darum werde ich mich kümmern ẵ Das Berufungsgericht hat am Ende festgestellt, dass Grove unschuldig war, nachdem er per DNA-Analyse als Täter ausgeschlossen werden konnte. Aber irgendjemand muss die Tat begangen haben. Jemand, der geglaubt hat, er würde nie dafür belangt.«
    »Sie meinen, Grove könnte den wirklichen Mörder ausfindig gemacht haben?«
    Jacobson hievte sich vom Beifahrersitz . Kühler würde es an diesem Tag nicht mehr werden, vielmehr würde die Sonne bis Mittag noch ein ganzes Stück höher steigen.
    »Zumindest hat er nach der erfolgreichen Berufung angekündigt, dass er es versuchen wollte, erinnern Sie sich? Das stand auf allen Titelseiten: ›Wenn die Polizei es nicht tut, werde ich es tun‹, und so weiter.«
    »Hat er da nicht einfach ein paar große Töne gespuckt?«
    »Vielleicht schon. Aber es bleibt eine Möglichkeit, die wir nicht a priori ausschließen können. Sie haben sein Arbeitszimmer gesehen, diese zwanghaft gründliche Archivierung aller Dinge, die seinen Fall betrafen. Ich werde jedenfalls Alan Slingsby einen Besuch abstatten.«
    »Alan Slingsby?«
    »Er hat bis zum Ende zu Grove gehalten, vergessen Sie das nicht. Wenn einer weiß, was Grove zuletzt getrieben hat, dann Slingsby.«
    Kerr schlug die Tür zu und drückte das Verriegelungssymbol auf dem Zündschlüssel.
    »Ich glaube, da liegen Sie falsch, Frank. Slingsby ist ein arroganter, selbstgefälliger Schnösel ề Der wird Ihnen bestimmt nicht helfen.«
    »Das hört man immer wieder. Trotzdem werde ich es versuchen«, erwiderte Jacobson, öffnete den obersten Hemdknopf und lockerte die Krawatte.
    Er brauchte noch einen Kaffee – und versuchte ganz nebenbei den Gedanken zu verdrängen, wie gut an diesem warmen, sonnigen Morgen eine Zigarette schmecken würde.

5
    Jacobson durchquerte die Fußgängerzone in Richtung Silver Street, wo Slingsby & Ass. in einem denkmalgeschützten Gebäude residierten, das von den Planungsvandalen des vergangenen Jahrhunderts auf wundersame Weise verschont geblieben war. Das spätviktorianische, aus den typischen roten Ziegeln der Midlands errichtete Gebäude war über drei Generationen Sitz einer Anwaltskanzlei gewesen, bis der letzte Vertreter der Familie im Zweiten Weltkrieg zu Tode gekommen war. Danach hatte sich dort zunächst eine Arztpraxis etabliert, auf die ein Versicherungsbüro und ein Immobilienmakler gefolgt waren . Alan Slingsby schließlich hatte Gefallen an der Vorstellung gefunden, das schöne alte Gebäude wieder seiner ursprünglichen Bestimmung und Funktion zuzuführen. Äußerlich war das Haus sorgfältig restauriert worden, das Innere jedoch hatte Slingsby vollständig entkernen lassen, um eine harmonische Verbindung von alter Solidität und heller, moderner Alltagstauglichkeit zu erzielen. Slingsby & Ass. waren über die Jahre gewachsen, mittlerweile gab es sechs zusätzliche Büros in der Region, aber Crowby bildete nach wie vor das Zentrum der Aktivitäten.
    Sie waren beide noch jung gewesen, als sie zum ersten Mal die Schwerter kreuzten. Slingsby, der radikale Agitator, frisch von der Universität, wollte den kapitalistischen Staat mit seinen eigenen Waffen schlagen und so den längst überfälligen Niedergang beschleunigen. Jacobson, noch feucht hinter den Ohren, war der jüngste Beamte im CID und Lichtjahre davon entfernt, überhaupt über die Polizeiarbeit nachzudenken , geschweige denn kritisch. Im Laufe der Jahre hatten sie sich beide verändert. Slingsbys Kanzlei (das Experiment mit dem »Radikalen Rechtskollektiv Crowby« hatte nicht allzu lange Bestand gehabt) war aufgeblüht, genährt von einer profitablen Mischung aus endlosen Alltagsfällen und komplizierten Mandaten bei den spektakulärsten Prozessen der Gegend. »Ich will jemanden von Slingsby«, war im Polizeigewahrsam von Crowby bis Coventry, über Birmingham und Derby und wieder zurück täglich zu hören. Da verwunderte es wenig, dass die eher mittelmäßigen Beamten, ob vom CID oder der
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