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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross
Autoren: Iain Mc Dowall
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beobachtet und ausgekundschaftet, sie alle, vom ersten Tag an. Hatte ihre Namen weitergegeben, ihre jeweilige persönliche Geschichte, ihre Kontakte. Hatte eingeschätzt, in welche Risikokategorien sie gehörten. Als wie extremistisch sie gelten mussten.
    »Nein, das verstehst du falsch, Andy«, hatte sie gesagt. »Völlig falsch: Himmel!«
    Und dabei hatte sie ihn sogar noch angelächelt. Ihm ihr Du-würdest-mich-gern-aber-ich-lass-dich-nicht-Lächeln geschenkt. Das war nun wirklich zu weit gegangen. Dass sie ihn so an ihre Geschichte mit Martin erinnerte, und an Nigel, der wegen etwas im Knast saß, an das er wirklich glaubte, der seine ganze Existenz aufs Spiel setzte.
    »Ach ja?«
    »Ja, völlig falsch. Es geht um Desinformation. Darum, sie mit dem zu füttern, was wir wollen. Mit Lügen, Verzerrungen. Himmel! Wenn sie denken, sie wissen, was hier vorgeht, gewinnen wir den Frei raum, den wir brauchen. Das ist gängige RCV-Praxis, Andy. Diese Typen auf den Holzweg zu schicken.«
    Vielleicht hatte sie sich ein wenig von ihm wegbewegt. Einen kleinen Schritt.
    Er stand da, starrte Claire an und trank einen großen Schluck aus der Flasche Reiswein, die er mitgebracht hatte. Ohne lange zu überlegen, drängte er sie in die Ecke. Sie stand mit dem Rücken zur Wand, und das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht.
    »Über dich lässt sich sowieso nicht viel berichten. Säuft wie ein Loch, und dann kippt er um ẻ Hilary hat die Nase voll von dir, das ist dir doch klar, oder? Sie hat genug von der besoffenen Fummelei.«
    Da schlug er zu. Schlug richtig zu. Zu Anfang wehrte sie sich noch, mit dem Knie, versuchte ihn vor die Schienbeine zu treten, aber dann wollte sie nur noch weg, kam irgendwie an ihm vorbei und war auch schon aus der Tür. Rannte. Er nahm an, dass sie zu ihrem Auto wollte, aber sie lief daran vorbei. Offenbar hatte sie den Schlüssel nicht bei sich .
    Wäre er nicht so betrunken gewesen, hätte er sie schneller erwischt. Und irgendwie war sie auch selbst schuld: Sie hätte zum Flughafen rennen und die Wachtrottel um Hilfe bitten können; sie hätte auch die Straße hinunterlaufen und vielleicht ein Auto anhalten können. Wenn denn eins gekommen wäre. Hätte er sie nicht gekriegt, wäre das alles nicht passiert.
    Sobald er sie zu fassen bekam, warf er sie zu Boden. Sie hatte keine Chance gegen ihn, so betrunken er auch war.
    Als es vorbei war, warf er den Stein, mit dem er sie erschlagen hatte, möglichst weit in den Wald hinein. Er hatte keine Ahnung, warum sie den nicht gefunden hatten und warum vor Gericht später immer wieder von einem Hammer die Rede gewesen war. Was für ein Unsinn. Er war zum Cottage zurückgegangen, hatte sich gewaschen und umgezogen und seine Kleider hinten im Garten verbrannt. Da hatte fast immer ein kleines Feuer geschwelt. Die Leute hatten gern abends draußen gesessen und Oliver zugehört, wenn er Gitarre spielte. Die Asche war kaum je richtig kalt geworden. Er hatte das Feuer angefacht und seine blutigen, verdreckten Sachen hineingeworfen, war nach drinnen gegangen, hatte sich einen Kaffee gemacht und auf die anderen gewartet.
    Er entschied sich gegen eine weitere Flasche Wein nach dem Essen ế Er wollte einen Schnaps und ein Bier, um das Zeugs herunterzuspülen. Er sah aus dem Fenster. Die Sonne schickte sich an, über dem See unterzugehen. Oben an Deck gerieten sicher gerade die Touristen ins Schwärmen, wie schön das alles doch sei .
    Die ersten Tage mit der Schuld sind die gefährlichsten, man droht unter der Belastung zusammenzubrechen. Aber wenn du die ersten Wochen und Monate überstehst, geht es auch weiter. Sie alle hatten gewusst, dass Martin sich nicht schuldig bekennen würde, und Andy hatte gewusst, dass er nicht schuldig war. Martin hatte Alan Slingsby gehabt und später noch ein paar andere bekannte linke Anwälte. Bis in den Winter hatte der Prozess sich hingezogen. Andy hatte sich eingeredet, dass Martin am Ende freikommen, dass er das Gericht als freier Mann verlassen würde. Als es nicht so kam, war er geflüchtet, hatte sich aus der Gegend zurückgezogen und auch die letzten Kontakte, die er noch zu den Protestierern hatte, abgebrochen. Fortan waren das Trinken und die Schuld für ihn miteinander verbunden gewesen. So sah er es heute. Er hatte getrunken und getrunken und getrunken, um die Schuld auszublenden. Um zu vergessen. Und das Trinken hatte ihn nach unten gebracht, nach ganz unten, was die Sache irgendwie zurechtrückte. Er hatte Martins Freiheit
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