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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross
Autoren: Iain Mc Dowall
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sie war und welche Anstrengung es sie kostete, das nicht offen zu zeigen . Sie war tapfer, meine Mum, das hat sie auch später tausendmal bewiesen . Sie hat für mich gesprochen, Bittschriften eingereicht und auch dann noch weitergemacht, als andere längst aufgegeben hätten.
    Ich musste einmal umsteigen, um mit dem Bus zum Cottage zu gelangen; erst musste ich wieder nach Crowby hineinfahren und dann über Wynarth nach Crowcross. Am Busbahnhof hat es mit dem Anschluss nicht geklappt, und der nächste Bus kam erst fünfundzwanzig Minuten später. Ausgestiegen bin ich an der Haltestelle in der Nähe der Colebrook Farm, dort, wo wir nach unserer nächtlichen Aktion gegen Charlie Gilbert gesprüht hatten. Näher kam man mit dem Bus nicht ans Cottage heran. Ich kann mich nicht genau erinnern, wann ich da ausgestiegen bin, aber natürlich habe ich mir späterden Fahrplan besorgt. Der Bus, mit dem ich gefahren bin, muss gegen sechs dort gehalten haben, sodass ich spätestens Viertel nach sechs wieder im Cottage war.
    Claires MG parkte vor dem Haus, vor Nigels Kleintransporter, mit dem die anderen zur Kundgebung nach Crowby gefahren waren . Das überraschte mich nicht. Ich hatte damit gerechnet, dass mittlerweile alle zurück waren. Dann musste ich allerdings feststellen, dass Claire weder ihn ihrem Zimmer noch sonst irgendwo im Cottage zu sein schien. Andy, Oliver und ein paar andere saßen in der Küche. Ich fragte sie, ob sie Claire gesehen hätten ế Oliver meinte, sie habe gleich nach ihrer Rückkehr erklärt, sie wolle drüben im Wald ein paar Schritte gehen. Lange sei sie noch nicht weg, wenn er es recht bedenke. Erst Monate später beim Prozess habe ich begriffen, dass Oliver das nur aus zweiter Hand gewusst haben konnte. Es war Andy gewesen, der Claire in Richtung Wald hatte gehen sehen. Andy hatte morgens in letzter Minute gesagt, er wolle doch nicht mit zur Kundgebung fahren, und den Tag über mit seinen Weinballons herumgewerkelt.
    Der Staatsanwalt hatte Andys Aussage in der Luft zerrissen, genau wie die von Oliver. Es hatten zwar auch andere noch so ausgesagt, aber die wurden erst gar nicht vor Gericht geladen, und ihre Aussagen wurden praktisch für nichtig erklärt. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, die Cottage-Bewohner würden alle lügen, um mich zu schützen, um ein Element der Unsicherheit in den Fall zu bringen, der doch so einfach sei. Ich sei mit Claire in den Wald gegangen, wo sie mir eröffnet habe, dass sie zu Nigel zurückwolle, woraufhin ich sie umgebracht hätte. Das hätte ich schließlich gestanden. Warum ich das unterschrieben hätte, wenn es nicht der Wahrheit entspreche? Als mein Verteidiger die fehlende Mordwaffe erwähnte, fand sich laut Anklage auch dafür in meinem Geständnis eine Erklärung: Ich wisse nicht mehr, was ich benutzt und wo ich es versteckt hätte, weil ich mit LSD vollgepumpt gewesen sei . Das hätten die Experten anhand der Urinprobe, die ich (zusammen mit einer Blutprobe) bei der Festnahme hatte abgeben müssen, »bewiesen«. Ich hatte in der Woche was genommen, das stimmt. Ich war neunzehn, oder? Habe herum experimentiert. Aber nicht an dem Donnerstag. Mein Verteidiger wies darauf hin, dass LSD sich noch drei Tage nach Einnahme einer normalen Dosis nachweisen lässt, doch das hat niemanden interessiert. Zuallerletzt die Geschworenen. Sie wussten , wie sie mich zu sehen hatten: als einen außer Kontrolle geratenen Drogenkonsumenten, der in einer Kommune lebte, was bewies, das ich zu Vergewaltigung und Mord imstande war.
    Ich glaube, ich habe eine halbe Stunde gebraucht, um sie zu finden. Mehr oder weniger. Die Stelle, an der sie umgebracht wurde, ist weder vom Cottage noch von der Straße weit entfernt. Aber sie liegt nicht in dem Teil des Waldes, der uns am liebsten war, deshalb habe ich da nicht gleich gesucht. Der Himmel hatte ein übles dunkles Grau angenommen, und in dem Moment, als mein Blick auf sie fiel, setzte schwerer Regen ein (wenigstens in meiner Erinnerung). Ich wusste sofort, dass sie tot war, obwohl ich noch nie einen Toten gesehen hatte. Trotzdem habe ich sie gehalten, habe sie in meinen Armen gehalten und gewiegt. Ich habe ihr die Hand auf die Brust gelegt, weil ich wollte, dass sie wieder anfing zu atmen, dass ihr Körper warm blieb.
    Hunter und Irvine sind ewig auf der Frage herumgeritten, warum ich denn nach Crowcross gelaufen sei und die Telefonzelle dort benutzt hätte, wo das Cottage doch viel näher gewesen sei. Als wäre das schon eine Art
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