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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross
Autoren: Iain Mc Dowall
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Geständnis. Die Wahrheit ist, dass ich im ersten Moment einfach nur von ihr weggelaufen bin, weg, weg, weg von diesem Fund. Die Richtung tat nichts zur Sache, ich wollte einfach weg, so als könnte ich dadurch alles ungeschehen machen. Als dieser Drang nachließ, war ich schon fast in Crowcross. Das wollten sie nicht begreifen. Ich habe angerufen, sobald ich dazu in der Lage war, und zwar vom nächsten verfügbaren Telefon aus.
    Ich war neunzehn. Ja, ich weiß, mein Freund, das ist mein langweiliges altes Mantra, das lesen Sie alle paar Seiten ế Aber es stimmt nun einmal, und Hunter und Irvine haben mich in Angst und Schrecken versetzt. Sie drohten damit, mich einzuschließen und den Schlüssel wegzuwerfen. Die Polizei habe überall im Land geheime Gefängnisse, erklärten sie, wo sie kleine Mistkerle wie mich jederzeit verschwinden lassen könnten. Für so lange, wie es ihnen gefalle. England sei da wie Pinochets Chile, verkündeten sie, mit Vergewaltigungs- und Folterzellen. Es war grotesk, lächerlich, absurd. Aber ich war völlig verstört, wie ein kleiner Junge. Eben hatte ich Claire, den wunderbarsten Menschen, dem ich je begegnet war, tot im Wald gefunden, mit eingeschlagenem Gesicht und zerrissenen Kleidern. Hunter war ein Dreckskerl und ein Profi. Er verstand, wie die Leute tickten, wusste sie einzuschüchtern und unter Druck zu setzen. Natürlich blieb es nicht bei Drohungen. Ich wurde geschlagen, getreten, angeschrien. Ewig lange musste ich stehen, während sie bequem dasaßen und mich mit Fragen bestürmten. (Das klingt nicht so schlimm? Ich hoffe, es bleibt Ihnen erspart, mein Freund.) Sie ließen mich nicht schlafen, arbeiteten mit allen alten Tricks. Wobei es die Drohung, mich verschwinden zu lassen, war, was mich am Ende hat einknicken lassen. Der einzige Weg, das zu vermeiden, davon konnten sie mich irgendwann überzeugen, war ein Geständnis. Mit einem Mal gab Hunter sich ganz freundlich, geradezu kumpelhaft. Sie brauchten nur ein Geständnis, mehr wollten sie nicht. Damit sei ihr Job erledigt, und sie könnten nach Hause gehen. Ich müsse mir deswegen jedenfalls keine Sorgen machen. Ich könne ja vor Gericht alles widerrufen. So ein Geständnis bedeute nichts, habe nichts zu sagen ế Los doch, Mr Irvine, bringen Sie dem Jungen eine Cola oder so was. Ganz ruhig, Martin, wir helfen Ihnen beim Formulieren, und dann ist das alles vorbei.
    Jahrelang war ich voller Wut, habe Zellenmobiliar zertrümmert und die Wände mit meinem Kot beschmiert. Später hat sich die Wut zu Scham gewandelt, darüber, dass sie mich so einfach hatten brechen können, dass ich mich so schnell hatte auseinandernehmen lassen. Und die Scham war noch schlimmer als die Wut. Lange, lange war ich nur noch ein Geist, ein Gespenst. Eine Gestalt, die sich an Schlangen anstellte, aß, schlief, ohne eigenen Willen, ohne Hoffnung. Aber wenn man tage- und nächtelang nichts anderes zu tun hat, kann man immer noch tiefer in sich selbst hineinkriechen. Bis man an einen Ort vordringt, der rein ist und unverletzlich – und dann, wenn einem das endlich gelungen ist, kann man zu neuem Leben erwachen. Dann kommt man den ganzen Weg zurück.
    Karen Holt will sich sämtliche Aussagen noch einmal genau ansehen. Sie denkt, dass da irgendwo die Wahrheit schlummert. Karen Holt ist Privatdetektivin, sie hilft mir (ich erzähle später mehr von ihr). Allerdings bin ich noch nicht sicher, worauf sie sich konzentrieren will, worauf sie ihr Augenmerk richtet. Die Verschwörungstheorien sind über die Jahre alle zerpflückt worden, wobei ich nicht weiß, ob sie im Einzelnen wirklich gründlich überprüft worden sind. Gestern Abend habe ich ferngesehen, Newsnight. Da gab es ein Interview mit einem Exspion, der seine Memoiren geschrieben hat. Davon gibt es heute einige. Der gestern hat Paxman von einer Operation erzählt, an der er beteiligt war und bei der es um den  Bergarbeiterstreik und die Gewerkschaft ging. Dabei habe ich gar nicht so genau verfolgt, was er zu erzählen hatte, ich habe ihn immer nur angeschaut und sein Gesicht studiert. Er war natürlich älter. Weißhaarig. Aber ich schwöre beim Grab meiner Mutter, dass das der Kerl war, mit dem ich an jenem Abend auf dem Vergnügungsdampf er auf der Themse Koks geschnupft habe. Erinnern Sie sich? Der, den Claire noch von der Uni kannte? Solche Verbindungen. Da müssen wir meiner bescheidenen Meinung nach weitergraben.
    (Anmerkung: Gute erste Version. Später noch mal durchsehen. Auf die
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