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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross
Autoren: Iain Mc Dowall
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arrangieren. Jacobson wusste, dass er besser schlafen würde, wenn Copeland und sein getreues Faktotum unter diskrete Beobachtung gestellt würden, aber ihm war auch klar, dass er kein Recht hatte, so etwas einzufordern. Nicht ohne die nervige Aussicht auf endloses Formulare-Ausfüllen und Genehmigungen-Einholen. Was hatte er zu verlieren, wenn er Herzog direkt darum bat?
    Der Schweizer hörte ihm zu und lachte. Und dann erklärte er, Copeland werde sowieso schon locker überwacht. Auf seine, Herzogs, Anweisung und gedeckt durch ein entsprechendes Statut des Kantons.
    »Es geht um eine Mordermittlung, oder? Da ist es immer gut, wenn man weiß, wo die Leute sich aufhalten.«
    Jacobson bedankte sich ehrlich und beendete das Gespräch. Dann rief er Kerr auf dem Handy an, brachte ihn auf den neuesten Stand und ging nach unten in den Einsatzraum.
    Emma Smith winkte ihn zu sich an den Tisch. Er sah ihr an, dass sie etwas Dringendes hatte. Eben hatte sie den Hörer ihres Telefons auflegen wollen, doch jetzt reichte sie ihn an ihn weiter und bedeutete ihm, er müsse unbedingt mit dem sprechen, der da am anderen Ende sei.
    Er hörte genau zu, und nach ein paar Minuten begann er sich Notizen zu machen. Anschließend ging er zur weißen Tafel und verschaffte sich die allgemeine Aufmerksamkeit, indem er ein paarmal mit dem Marker auf die Ablagerinne schlug.

43
    Martin Grove.doc
    Der 5. Mai. Ein Donnerstag. Der Donnerstag, an dem Claire getötet wurde. Als sie mich später am Abend in die alte Polizeiwache von Wynarth brachten, wusste ich nicht dass ich fortan ein Gefangener des Staates sein würde, der mich nach seinem Gutdünken zwei Jahrzehnte hinter Gittern behielt. (Anmerkung: Vielleicht zu melodramatisch , aber egal, kann das noch ändern. Hauptsache: Erst mal alles zu Papier bringen.)
    Am Nachmittag fuhr Claire nach Wolverhampton. Sie hatte eine Besuchserlaubnis für Nigel. Unser nächtliches Abenteuer auf der Colebrook Farm war unentdeckt geblieben, aber die allgemeine Stimmung war immer noch ziemlich gedrückt. Die Zukunft schien ungewiss, und das unbestimmte Gefühl, dass Myrtle Cottage als Sammelpunkt womöglich ausgedient hatte, griff um sich. Claire verriet nichts über die Diskussionen der RCV, gab aber den einen oder anderen Hinweis darauf, dass das Zentralkomitee den Protest neu bewertete und ihn als Agitprop-Übung nicht mehr ganz so hoch schätzte wie noch zu Anfang. Das mochte einer der Punkte sein, über die sie mit Nigel sprechen wollte.
    Wir waren mittlerweile nicht mal mehr zehn im Cottage. Oliver lief nach wie vor mit seiner Gitarre vorm Bauch übers Freiheitsfeld und komponierte, Andy braute Unmengen seines starken Reisweins, und auch Hilary war noch da, wobei sie jetzt mehr und mehr Zeit an der Fachhochschule verbrachte. Als Grund gab sie ihre im Sommer bevorstehenden Prüfungen an. Allerdings weiß ich noch, dass ich dachte, mit Andy und ihr stehe es vielleicht nicht mehr so gut. Ich persönlich schwebte nach wie vor auf Wolken. Mittlerweile war ich mitsamt meinen Sachen (dem wenigen, was ich besaß) in Claires Zimmer gezogen, aber natürlich fragte ich mich auch, was werden sollte, wenn es mit dem Protest zu Ende ging. Claire versuchte mich zu beruhigen, indem sie mich daran erinnerte, dass das Cottage ihr gehörte. Selbst wenn der Protest abgeblasen wird, müssen wir hier nicht weg, Martin. Es sei denn, wir wollen es.
    Als sie nach Wolverhampton fuhr, nahm sie mich mit und setzte mich in der Stadt ab. Ich musste zum Sozialamt. Danach wollte ich meine Mutter in Woodlands besuchen ế Zu jener Zeit putzte sie morgens Büros und war nachmittags normalerweise zu Hause. Soweit ich wusste, waren alle anderen aus dem Cottage ebenfalls bereits in Crowby, zu einer Kundgebung für die Bergleute, die vordem Rathaus stattfinden sollte. Sie wollten Flugblätter verteilen, Geld sammeln und Anstecker verkaufen, auf denen »Kohle statt Arbeitslosigkeit« stand.
    In der Market Street setzte Claire mich ab. Sie küsste mich, und ich sprang auf den Bürgersteig und sah ihr hinterher. Sie lächelte mir zu, winkte und fädelte sich in den Verkehr ein. In ihrem Kassettendeck steckten The Specials, und A Message To You, Rudy plärrte aus den Lautsprechern. Wenigstens lächelte sie und war glücklich. Eine gute letzte Erinnerung.
    Ich blieb länger bei Mum, als ich vorgehabt hatte. Wie immer freute sie sich, mich zu sehen, und es war schwierig, wieder wegzukommen. Mittlerweile war ich reif genug, um zu begreifen, wie einsam
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