Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross
Autoren: Iain Mc Dowall
Vom Netzwerk:
das Szenario zusammenfasste.
    »Schießt ihm eine Kugel in den Kopf. Nimmt seinen Laptop, seinen PC oder was auch immer mit, und nur für den Fall, dass die Botschaft damit noch nicht deutlich genug ist, schneidet er dem armen Teufel auch noch die Zunge aus dem Mund.«

3
    Martin Grove.doc
    Wo fange ich an? An dem Tag, an dem der Richter erklärte, ich sei schlecht und niederträchtig, eine ernste Bedrohung für die Gesellschaft? Oder an dem Abend, an dem ich den Druck nicht mehr aushielt, mein »Geständnis« unterschrieb und mein Leben aufgab, nur damit sie mich endlich in Ruhe ließen?
    Oder früher, viel früher? Meine früheste Erinnerung ist, komischerweise, eine an meinen Vater. Er wäscht mir mit einem Schwamm das Gesicht und sagt, dass ich ein guter Junge bin . Komischerweise, weil ich nur ganz wenige Erinnerungen an ihn habe. Er war nicht mehr da, als ich heranwuchs; war nicht mehr da, um mich zur Rede zu stellen, wenn ich die Schule schwänzte oder sonst was anstellte; sagte nicht, gut gemacht, wenn mir etwas gelungen war, oder lobte mich, als ich den kleinen Jungen vorm Ertrinken gerettet hatte.
    Nein, Moment mal, das alles, meine ganze traumatische Kindheit, sollte später kommen, richtig? Das wollen Sie nicht als Erstes hören, nicht wahr? Keiner will heute mehr eine von A bis Z erzählte Geschichte hören. Alles wird zerstückelt, mit Rückblenden und schnellen Zeitsprüngen versetzt, »remixed«. Alles muss komplizierter aussehen, als es tatsächlich ist. Und ich will, dass Sie meine Geschichte ernst nehmen . O ja, das will ich.
    Bleiben wir trotzdem bei meinem Dad. Meinem Dad, der nie auch nur einen Finger gerührt hat, um mir zu helfen ế Meinem Dad, der sich während meines gesamten Prozesses ein einziges Mal hat blicken lassen, am letzten Tag, zur Urteilsverkündung. Mit versteinertem Gesicht saß er auf der Zuschauergalerie. In der ersten Reihe. Gleich danach hat er mich auch im Gefängnis besucht. Ebenfalls ein einziges Mal. Als er noch in Winson Green war und auf seine Einteilung wartete. Ich kann nicht verstehen, warum sie Abschaum wie dich nicht mehr aufhängen. Wenn sie mich nur ließen, ich würde es eigenhändig tun. Dich aufknüpfen und baumeln lassen. Du bist nicht mehr mein Sohn, verstanden? Du bist nicht mal mehr ein Mensch, nur ein Stück Dreck. Es kam aus ihm heraus wie auswendig gelernt, und dann stand er auf und ging. Ich habe ihn nie wiedergesehen, nie wieder etwas von ihm gehört. Er starb, als ich zehn Jahre abgesessen hatte. An einem Herzinfarkt, genau wie später Mum. Ich durfte zu seiner Beerdigung. Er war mir egal, aber ich wollte den Tag draußen haben. Großer Gott, ja, ich wollte den einen Tag draußen an der frischen Luft, unter freiem Himmel. Ich wollte die großen, Schatten spendenden Linden auf dem Kirchhofsehen. Normalität erfahren: Autos, Läden, Passanten.
    Aber vielleicht wollen Sie das alles gar nicht hören. Wer ich bin und woher ich komme. Sicher interessiert Sie nur eins. Vielleicht denken Sie, wo Rauch ist, muss auch Feuer sein. Wenn Martin Grove es nicht getan hat, wer dann? Wer hat diese hübsche, intelligente junge Frau ermordet? Aber darauf komme ich noch. Ja, darauf komme ich noch, Sie kriegen was für Ihr Geld. Keine Sorge.
    Nur kann ich damit nicht anfangen. Mit dem Mord und damit, wie es wirklich war. Dann begreifen Sie die Geschichte nicht. Sie sollen sie aber verstehen. Und dafür müssen Sie sie erst einmal kennenlernen. Claire und die anderen. Sie müssen erfahren, wie ich mit ihr zusammengekommen bin. Wie ich da hineingeraten bin. Und alles verloren habe. Absolut alles.
    Damals war ich natürlich noch ein anderer. »Ungebildet« Im Gefängnis hat man mir zu meiner Bildung verholfen, wenn auch nur widerwillig und voller Groll. Meinen Abschluss, die Fähigkeit, mich auszudrücken – damals besaß ich sie noch nicht. Damals habe ich kaum etwas anderes gelesen als die ›Sun‹, konnte meinen Namen schreiben und ein paar Zahlen zusammenrechnen. Vielleicht auch noch auf ein Pferd wetten oder einen Totoschein ausfüllen. Mein Leben ging zu Ende, als ich neunzehn war. Bevor es überhaupt angefangen hatte. Das ist so lange her, da gab s hier in England noch kein Lotto, und es gab keine Handys, kein Internet und keine DNA-Analyse. Keine Mitschnitte von Polizei verheeren. Ja, es ist durchaus möglich, dass es Sie, mein Freund, damals auch noch nicht gab.

4
    Jacobson beschloss, nicht auf die MIU zu warten. Bis die Spurensicherung mit ihrer Arbeit durch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher