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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen
Autoren: Patricia Cornwell
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nicht besonders auffällig sind.«
    Wir sahen auf den Schnee, der zunehmend von Fußspuren der Polizisten überzogen war. Die Schuhe des Opfers hatten kein Profil.
    »Außerdem«, fuhr er fort, »weil es möglicherweise eine homosexuelle Komponente gibt, denken wir, daß The Ramble vielleicht ihr erstes Ziel war.«
    »Was für eine homosexuelle Komponente?« fragte Wesley.
    »Nach einer früheren Beschreibung der beiden schienen sie ein homosexuelles Paar zu sein.«
    »Wir sprechen nicht von zwei Männern«, stellte Wesley fest.
    »Auf den ersten Blick sah das Opfer nicht wie eine Frau aus.«
    »Auf wessen ersten Blick?«
    »Der Transit Police. Mit denen sollten Sie reden.«
    »He, Mossberg, bist du mit dem Dentalgips fertig?«
    »Ich würde noch eine Schicht aufsprühen.«
    »Wir haben schon vier. Wir haben eine hervorragende Unterlage, daß heißt natürlich nur, wenn dein Zeug da kalt genug ist.«
    Der Beamte namens Mossberg ging in die Hocke und begann, vorsichtig den dickflüssigen Dentalgips in einen mit rotem Wachs überzogenen Abdruck zu gießen. Die Fußspuren des Opfers waren nahe bei den beiden Abdrücken, die wir sicherstellen wollten, ihre Füße waren in etwa so groß wie Gaults. Ich fragte mich, ob wir wohl jemals ihre Stiefel finden würden, und blickte zu der Stelle - ungefähr fünf Meter vom Brunnen entfernt -, an der ihre Spuren die einer Barfüßigen wurden. Fünfzehn Schritte war sie gegangen, geradewegs zum Brunnen, wo Gault ihr in den Kopf geschossen hatte.
    Ich sah zu den Schatten außerhalb des erleuchteten Platzes, spürte auf einmal die beißende Kälte, und ich verstand nicht, was im Kopf dieser Frau vorgegangen war.
    »Warum hat sie sich nicht gewehrt?« fragte ich.
    »Weil Gault ihr Todesangst eingejagt hat«, sagte Marino, der jetzt neben mir stand.
    »Würdest du dich hier aus irgendeinem Grund ausziehen?« fragte ich ihn.
    »Ich bin nicht sie.« Er klang zornig.
    »Wir wissen nichts über sie«, fügte der Logiker Wesley hinzu. »Außer daß sie sich aus irgendeinem bescheuerten Grund den Kopf geschoren hat«, sagte Marino.
    »Wir wissen nicht genug, um ihr Verhalten einschätzen zu können«, sagte Wesley. »Wir wissen nicht einmal, wer sie war.«
    »Was, glaubt ihr, hat er mit ihren Kleidern gemacht?« fragte Marino und sah sich um. Seine Hände steckten in den Taschen eines Kamelhaarmantels, den er trug, seitdem er mit Molly befreundet war.
    »Wahrscheinlich das gleiche, was er mit Eddie Heath' Kleidern gemacht hat«, sagte Wesley und konnte sich nicht länger zurückhalten. Er ging ein kleines Stück in den Wald.
    Marino sah mich an. »Wir wissen nicht, was Gault mit Eddie Heath' Kleidern gemacht hat.«
    »Vermutlich ist es das, worauf er hinauswill.« Ich beobachtete Wesley, und mein Herz wurde schwer.
    »Ich persönlich glaube nicht, daß der Irre sie als Souvenir behält. Er kann den Plunder nicht brauchen, wenn er unterwegs ist.«
    »Er wird sie irgendwie los«, sagte ich.
    Ein Einwegfeuerzeug sprühte mehrmals Funken, bevor es Marino mit einer geizigen kleinen Flamme entgegenkam.
    »Sie stand völlig unter seiner Kontrolle«, dachte ich laut. »Er hat sie hierhergeführt und ihr gesagt, sie soll sich ausziehen. Und sie hat es getan. Man sieht genau, wo die Schuhabdrücke aufhören und die Spuren ihrer nackten Füße beginnen. Es gab keinen Kampf, sie dachte nicht daran, wegzulaufen. Sie leistete keinerlei Widerstand.«
    Marinos Zigarette brannte endlich. Wesley kam aus dem Wald zurück, paßte bei jedem Schritt auf, wohin er trat. Ich spürte seinen Blick auf mir.
    »Sie hatten eine Beziehung«, sagte ich.
    »Gault hat keine Beziehungen«, sagte Marino.
    »Er hat seine Art von Beziehungen. So pervers sie auch sein mögen. Er hatte eine mit dem Aufseher im Gefängnis von Richmond und mit Helen, der Gefängniswärterin.«
    »Ja, und er hat sie beide umgebracht. Helen hat er den Kopf abgeschnitten und ihn in einer verdammten Bowlingtasche auf ein Feld geworfen. Der Farmer, der dieses kleine Präsent gefunden hat, ist bis jetzt nicht wieder in Ordnung. Soweit ich weiß, säuft er wie ein Loch und weigert sich, auf dem Feld irgend etwas anzupflanzen. Er läßt nicht mal seine Kühe drauf weiden.«
    »Ich habe nicht gesagt, daß er die Leute, mit denen er eine Beziehung hat, nicht umbringt«, erwiderte ich. »Ich habe nur gesagt, daß er Beziehungen hat.«
    Ich starrte auf ihre Fußspuren. Sie hatte Schuhe Größe 42 oder 43 getragen.
    »Ich hoffe, sie machen auch Abdrücke von
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