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Die Tote im Götakanal

Die Tote im Götakanal

Titel: Die Tote im Götakanal
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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warnte Martin Beck.
    Auf einmal fühlte er sich frisch und ausgeruht, obwohl er seit zwei Tagen kaum geschlafen hatte.
    Er stand da und schaute auf die Karte, auf der Kollberg versucht hatte, Bengtssons Irrfahrten mit einem Rotstift zu verfolgen. Da klingelte das Telefon.
    »Jetzt ruft er zum zehntenmal heute an«, meinte Kollberg.
    Martin Beck nahm den Hörer hoch und sah gleichzeitig auf die Wanduhr. 22 Uhr 59.
    Sonja Hanssons Stimme klang heiser und etwas unsicher. »Martin! Er ist wieder hier.«
    Er drückte krampfhaft den Hörer.
    »Wir kommen«, sagte er.
    Sonja Hansson legte den Telefonhörer zurück und blickte auf die Uhr. 23 Uhr 01. In vier Minuten würde Ahlberg zur Tür hereinkommen und sie von dem lähmenden Unbehagen befreien, das sie ganz plötzlich befallen hatte.
    Sie wischte die feuchten Handflächen am Rock ab, dabei spannte sich der Stoff über ihren Hüften.
    Vorsichtig schlich sie in das dunkle Schlafzimmer, ans Fenster. Das Parkett fühlte sich hart und kalt unter ihren nackten Fußsohlen an; sie hob sich auf die Zehen, stützte die rechte Hand gegen den Fensterrahmen und spähte vorsichtig durch die dünne Gardine. Es waren noch einige Leute auf der Straße, besonders vor dem Restaurant gegenüber, und es dauerte eine gewisse Zeit, bis sie ihn sah. Er kam aus Runebergsgatan heraus, aus der Richtung ihrer Haustür. Aber mitten auf den Straßenbahnschienen wandte er sich nach rechts und verschwand eine halbe Minute später aus ihrem Blickfeld. Er hatte sich sehr schnell bewegt, mit langen, gleitenden Schritten, dabei hatte er immer geradeaus gestarrt. So als ob er seine Umgebung nicht wahrnahm und an nichts Besonderes dachte…
    Sie ging ins Wohnzimmer zurück, dessen Licht und Wärme und diel Nähe der ihr vertrauten Gegenstände ihr wohltaten. Sie steckte sich! eine Zigarette an und zog den Rauch tief in die Lungen. Obwohl sie sich! der Aufgabe, die sie übernommen hatte, wohl bewußt war, war sie doch! jedesmal erleichtert, wenn er seiner Wege ging, ohne sich um das Telefonhäuschen zu kümmern. Sie hatte schon viel zu lange auf das gellende Klingeln des Telefons gewartet, das ihre Ruhe und Gemütlichkeit zerschlagen und das Eindringen des Fremden, des Feindlichen in ihre Wohnung ankündigen würde.
    Jetzt hoffte sie schon, daß dieses! Signal niemals kommen würde. Daß sich alles als ein Irrtum herausstellte, daß sie ihren normalen Dienst wieder aufnehmen durfte und niemals mehr einen Gedanken an den Kerl da verschwenden mußte.
    Sie nahm den Pullover auf, an dem sie während der letzten drei! Wochen gestrickt hatte, trat vor den Spiegel und hielt ihn sich vor. Bald würde er fertig sein. Dann blickte sie auf die Uhr. Ahlberg hatte zehn Sekunden Verspätung. Heute würde er seinen Rekord also nicht brechen. Sie lächelte bei dem Gedanken, wie er sich ärgern würde. Als sie noch einmal in den Spiegel sah, blickte sie in ihr eigenes, ruhig lächelndes Gesicht, entdeckte aber auch einen Streifen feiner Schweißtröpfchen unter dem Haaransatz.
    Sie ging durch die Diele ins Badezimmer, spürte den kühlen gekachelten Fußboden, beugte sich breitbeinig über das Waschbecken und spülte sich das Gesicht und die Hände mit kaltem Wasser ab.
    Gerade als sie den Hahn zudrehte, hörte sie, wie sich ein Schlüssel im Türschloß bewegte. Ahlberg hatte bereits mehr als eine Minute Verspätung.
    Immer noch mit dem Frotteetuch in der Hand, trat sie in den Flur hinaus, hakte die Kette ab und machte die Tür auf. »Gott sei Dank, daß du da bist«, sagte sie.
    Es war nicht Ahlberg.
    Das Lächeln fror auf ihren Lippen fest, als sie langsam rückwärts in die Wohnung wich. Der Mann, der Folke Bengtsson hieß, ließ sie nicht aus den Augen, während er die Tür hinter sich zuzog und die Sicherheitskette vorlegte.

29
    Martin Beck war der letzte und schon in der Tür, als das Telefon noch einmal läutete. Er rannte zurück und riß den Hörer ans Ohr.
    »Ich stehe auf dem Flur des Ambassadörs«, meldete Stenström. »In dem Gedränge hier draußen hab ich ihn aus den Augen verloren. Etwa vor drei, vier Minuten.«
    »Er ist schon in Runebergsgatan. Komm, so schnell du kannst.«
    Er warf den Hörer hin und stürzte den anderen nach. Die Treppe hinunter. Zwängte sich auf den Rücksitz. So saßen sie immer; es war wichtig, daß Ahlberg als erster hinauskonnte.
    Kollberg fuhr an, mußte aber sofort wieder bremsen und einem graulackierten Polizeiwagen aus-weichen. Dann bog er zwischen einem grünen Volvo und
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