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Die Tote im Götakanal

Die Tote im Götakanal

Titel: Die Tote im Götakanal
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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haben die Frau auf dem Schiff getötet. Sie erinnern sich nicht mehr daran, aber ich werde Ihnen helfen. Die Kabine war klein und eng und schlecht beleuchtet. Das Schiff fuhr gerade über einen See… Wie hieß er noch?«
    »Borensee«, entgegnete der Mann apathisch.
    »Und Sie waren mit ihr in der kleinen Kabine. Sie zogen sie aus…«
    »Nein, sie zog sich ganz allein aus. Sie wollte mich mit ihrer Unsauberkeit anstecken. Sie war widerlich.«
    »Und darum mußte sie bestraft werden«, sagte Martin Beck ruhig.
    »Ja. Sie mußte bestraft werden. Verstehen Sie das denn nicht? Schamlosigkeit muß bestraft werden.«
    »Und Sie straften sie, indem Sie sie umbrachten?«
    »Sie verdiente zu sterben. Sie wollte auch mich beschmutzen. Sie brüstete sich mit ihrer Schamlosigkeit. Verstehen Sie nicht?« schrie er. »Ich mußte sie töten. Ich mußte diesen unreinen Körper vernichten.«
    »Hatten Sie keine Angst, daß jemand Sie durch das Bullauge beobachten könne?«
    »Es gab kein Bullauge in der Kabine. Ich hatte keine Angst, ich tat ja nichts Unrechtes. Sie war selber daran schuld. Sie verdiente es.«
    »Und als sie tot war, was taten Sie dann?«
    Der Mann hob hilflos eine Hand.
    »Quälen Sie mich doch nicht so. Warum müssen Sie die ganze Zeit davon reden? Ich entsinne mich nicht.«
    »Traten Sie aus der Kabine, als sie tot war?« Martin Becks Stimme war weich und sanft.
    »Nein. Doch. Ich weiß es nicht mehr.«
     
    »Sie lag nackt auf dem Bett – so war es doch, oder? Und Sie hatten sie getötet. Blieben Sie in der Kabine?«
    »Nein, ich ging raus. Ich weiß es nicht.«
    »Wo lag denn die Kabine auf dem Schiff?«
    »Ich weiß nicht mehr.«
    »Lag sie unter Deck?«
    »Nein, sie lag weit hinten… ganz weit achteraus auf dem Deck.«
    »Was taten Sie mit ihr, als sie tot war?«
    »Lassen Sie mich doch in Ruhe«, entgegnete er verdrießlich wie ein kleines Kind. »Es war nicht meine Schuld. Es war ihre.«
    »Über die Schuldfrage können wir uns später noch unterhalten… Sie haben also zugegeben, daß Sie es getan haben. Jetzt möchte ich wissen, was Sie mit der Leiche machten?« Martin Becks Stimme klang ruhig und interessiert.«
    »Ich warf sie in den See«, schrie der Mann. »Ich hielt es nicht aus, sie so da liegen zu sehen.«
    Martin Beck sah ihn an. »Und wo befand sich das Schiff zu dem Zeitpunkt?«
    »Was weiß ich? Ich warf sie einfach über Bord.«
    Er sank in sich zusammen und begann zu weinen.
    »Ich hielt es nicht aus, sie so zu sehen. Ich hielt es einfach nicht aus.« Seine Stimme klang monoton, Tränen rannen ihm die Wangen herab.
    Martin Beck stellte das Tonbandgerät ab, nahm den Telefonhörer und ließ den Gefängniswärter kommen.
    Als der Mann, der Roseanna McGraw getötet hatte, abgeführt wurde, steckte Martin Beck sich eine Zigarette an. Er saß regungslos da und starrte vor sich hin.
    Seine Augen brannten, und er bearbeitete sie mit dem Daumen und dem Zeigefinger.
    Dann nahm er einen Kugelschreiber aus der Schale auf dem Schreibtisch und schrieb: GOT HIM. CONFESSED ALMOST EMMEDIATELY IMI-DIA EMED…
    Aber schon nach dem ersten Satz legte er den Kugelschreiber zurück, knüllte das Papier wieder zusammen und warf es in den Papierkorb. Er würde Kafka morgen anrufen – aber erst mußte er ausschlafen.
    Martin Beck zog den Mantel an, nahm seinen Hut und verließ das Büro. Am frühen Nachmittag hatte es angefangen zu schneien, und nun lag schon eine dicke Schneedecke auf den Straßen. Die Flocken waren feucht und groß. Das dichte Schneetreiben dämpfte alle Geräusche, man konnte kaum die Hand vor Augen sehen, und alle Konturen lösten sich auf. Endlich hatte der richtige Winter begonnen.
    Roseanna McGraw hatte eine Ferienreise nach Europa gemacht. Bei einem Ort, der Norsholm heißt, war sie einem Mann begegnet, der seine Ferien in Bohuslän verbringen und dort Berglachse fangen wollte. Hätte das Schiff nicht Maschinenhavarie gehabt und hätte das Restaurantpersonal sie nicht an einen anderen Tisch gesetzt, wäre sie ihm nie begegnet und vielleicht noch am Leben. Aber ebensogut hätte sie auf Kungsgatan überfahren oder sich auf der Hoteltreppe das Genick brechen können.
    Eine Frau, die Sonja Hansson hieß und die mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun hatte, würde vielleicht nie im Leben mehr ungestört und traumlos schlafen können, mit den Händen zwischen den Knien, wie sie es von klein auf getan hatte.
    Sie alle, in Motala und Kristineberg und Lincoln, Nebraska, hatten einen Mörder
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