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Die Tote im Götakanal

Die Tote im Götakanal

Titel: Die Tote im Götakanal
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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da sah der Decksmann, was der Mann auf der Mole schon vor ihm gesehen hatte: Über den Rand der Schaufel ragte ein weißer, nackter Arm.
    Die nächsten zehn Minuten waren lang und hektisch. Anweisungen wurden herausgebrüllt. Auf der Kaimauer stand ein Mann, der fortwährend wiederholte: »Es darf nichts angerührt werden. Alles muß bleiben, wie es ist, bis die Polizei kommt…«
    Der Baggermaschinist kam heraus und starrte umher. Dann ging er in seine Kabine zurück, setzte sich auf den Sitz hinter seinem Schaltbrett und ließ den Kran ausschwingen und die Baggerschaufel sich öffnen; der Baggermeister und der Decksmann und ein eifriger Angler fingen den Körper auf.
    Es war eine Frau. Bald darauf lag sie auf einer zusammengelegten Persenning draußen auf der Mole; rund herum stand gaffend eine Gruppe fassungsloser Menschen. Es waren Kinder darunter, doch niemand dachte daran, sie wegzujagen. Alle, die da herumstanden, hatten etwas gemeinsam: niemals würden sie vergessen, wie sie aussah.
    Der Decksmann hatte drei Eimer Wasser über sie geschüttet. Lange hinterher, als die polizeiliche Untersuchung sich festgerannt hatte, fanden sich kluge Leute, die ihm das zum Vorwurf machten.
    Sie war völlig nackt; sie trug nicht einmal einen Ring oder eine Kette. Die Haut über Brust und Unterleib war heller, offenbar hatte sie sich im Bikini gesonnt. Die Tote hatte breite Hüften, kräftige Schenkel und dichte schwarze, nasse Schamhaare.
    Die Brüste waren klein und schlaff – mit großen, dunklen Warzen. Vom Nabel hinunter zur Hüfte lief eine rötliche Schramme. Sonst war die Haut glatt und ohne Flecken oder Narben. Sie hatte kleine Hände und kleine Füße; weder Hand - noch Zehennägel waren lackiert. Das Gesicht war gedunsen; schwer zu sagen, wie sie wirklich ausgesehen hatte. Die Augenbrauen waren dunkel und kräftig, der Mund breit. Das Haar war schwarz und halblang und am Hinterkopf angeklatscht. Quer über den Hals ringelte sich eine nasse Haarsträhne.

2
    Motala ist eine mittelgroße schwedische Stadt von 27 000 Einwohnern und liegt in Östergötland im nördlichen Bereich des Vätternsees. Der Stadsfiskal stellt die oberste polizeiliche Amtsgewalt dar. Er ist gleichzeitig Staatsanwalt. Ihm untersteht ein Kommissar, der exekutiver Chef der Ordnungs- und Kriminalpolizei ist. Weiter hat Motala einen Ersten Kriminalassistenten im 19. Besoldungsgrad, sechs Kriminalpolizisten und eine weibliche Hilfskraft. Einer der Polizisten fungiert gleichzeitig als Fotograf.
    Anfallende medizinische Untersuchungen werden von einem der niedergelassenen Ärzte übernommen.
    Eine Stunde nach dem ersten Alarm hatte die Mehrzahl dieser Personen sich am Pier in Borenshult, dicht bei der Hafenbefeuerung, eingefunden.
    Alle standen um die Leiche herum, so daß die Männer auf dem Bagger nicht mehr erkennen konnten, was vor sich ging. Sie waren an Bord geblieben, obwohl das Fahrzeug jetzt mit der Backbordseite dicht an der Mole lag.
    Hinter der polizeilichen Absperrung am Kai hatte sich das Gedränge verzehnfacht. Auf der anderen Seite des Kanals stand eine Anzahl Autos, darunter vier Polizeiwagen und eine weißlackierte Ambulanz mit rotem Kreuz auf den Hintertüren. Zwei Männer in weißen Overalls standen daneben und rauchten.
    Offenbar waren sie die einzigen, die sich nicht für die Gruppe am Kai interessierten.
    Draußen auf der Mole begann der Arzt seine Instrumente zusammenzupacken. Dabei unterhielt er sich mit dem Kommissar, der groß und grauhaarig war und Larsson hieß.
    »Viel kann ich so nicht sagen«, meinte der Arzt.
    »Muß sie immer noch hier liegenbleiben?«
    »Wieso? Darüber haben doch Sie zu entscheiden«, entgegnete der Arzt.
    »Dies hier ist wohl kaum der Tatort.«
    »Okay, sehen Sie zu, daß sie ins Leichenschauhaus geschafft wird. Ich rufe dann an.«
    Er knöpfte seine Bereitschaftstasche zu, erhob sich und ging zu seinem Wagen.
    »Ahlberg«, sagte der Kommissar, »du sorgst dafür, daß die Umgebung abgesperrt bleibt.«
    »Selbstverständlich.«
    Der Stadsfiskal hatte draußen am Leuchtfeuer nicht viel gesagt. Während der ersten Ermittlungen pflegte er sich nicht in die Untersuchung einzumischen. Aber auf dem Weg zur Stadt sagte er zum Kommissar: »Häßliche blaue Stellen.«
    »Hm… hm.«
    »Du hältst mich auf dem laufenden.«
    Larsson machte sich nicht einmal die Mühe, mit dem Kopf zu nicken.
    »Kannst du Ahlberg die Sache überlassen?«
    »Ahlberg ist gut«, meinte der Kommissar.
    »Ja, sicher.«
    Das
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