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Die Tote im Götakanal

Die Tote im Götakanal

Titel: Die Tote im Götakanal
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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einen Schluck.
    »Ich kann dir etwas Brot rösten«, schlug sie vor.
    Fünf Minuten später stellte er die Tasse lautlos auf die Untertasse und hob den Blick zu seiner Frau.
    Sie hatte einen roten, flauschigen Morgenmantel über dem Nylonnachthemd an und stützte die Ellbogen auf den Tisch, das Kinn in der Hand. Sie war blond, mit hellem Teint und runden, etwas vorstehenden Augen. Die Augenbrauen pflegte sie färben zu lassen, doch während des Sommers waren sie ausgebleicht und nun fast ebenso hell wie das Haar. Sie war ein paar Jahre älter als er, und obwohl sie in den letzten Jahren etwas zugenommen hatte, begann die Haut am Hals welk zu werden.
    Als die Tochter vor zwölf Jahren geboren wurde, hatte sie ihre Anstellung in einem Architekturbüro aufgegeben und seitdem keine Lust mehr verspürt, wieder in den Beruf zurückzukehren. Als der Junge in die Schule kam, hatte Martin Beck vorgeschlagen, ob sie nicht eine Halbtagsstelle annehmen wolle, doch sie hatte ihm ausgerechnet, daß es sich kaum lohnen würde. Außerdem war sie bequem von Natur aus und mit ihrem Hausfrauendasein zufrieden.
    Ja, ja, dachte Martin Beck, erhob sich und schob wortlos den blaugemalten Schemel unter den Tisch.
    Dann stellte er sich ans Fenster und blickte in den Nieselregen hinaus.
    Unterhalb des Parkplatzes und des Grasstreifens lag die Autobahn naß und leer. In einigen Fenstern der Hochhäuser auf dem Hügel hinter der U-BahnStation gingen die Lichter an. Unter dem niedrigen grauen Himmel kreisten ein paar Möwen; sonst war kein lebendes Wesen zu sehen.
    »Wohin mußt du heute?« fragte sie.
    »Nach Motala.«
    »Wirst du lange wegbleiben?«
    »Keine Ahnung.«
    »Es handelt sich wohl um dieses Mädchen?«
    »Ja.«
    »Meinst du denn, daß es lange dauern wird?«
    »Ich weiß nicht mehr als du, nur das, was in den Zeitungen gestanden hat.«
    »Warum mußt du mit dem Zug fahren?«
    »Die anderen sind gestern schon losgefahren. Ich sollte eigentlich nicht mit.«
    »Die machen mit dir, was sie wollen – wie üblich.«
    Er nickte und starrte vor sich hin. Der Regen schien nachzulassen.
    »Wo bringen sie dich denn unter?«
    »Im Stadthotel.«
    »Nimmst du noch jemand mit?«
    »Ja, Kollberg und Melander. Aber die sind gestern schon mit dem Wagen vorgefahren.«
    »Mit dem Auto?«
    »Ja.«
    »Und du darfst dich in der zweiten Klasse durchschütteln lassen.«
    »Ja.«
    Hinter seinem Rücken hörte er, wie sie die Tasse mit den blauen Rosen und dem Sprung ausspülte.
    »Ich muß diese Woche die Stromrechnung und die Reitstunden für Baby bezahlen.«
    »Hast du nicht genug Geld bekommen?«
    »Ich will nichts abheben, das weißt du ganz genau.«
    »Ach ja.«
    Er nahm die Brieftasche aus dem Jackett und blickte hinein. Nahm einen Fünfziger-Schein, starrte ihn an, legte ihn zurück und steckte die Brieftasche wieder ein.
    »Ich hasse es, Geld abzuheben«, nörgelte sie.
    »Das ist der Anfang vom Ende, wenn man einfach so abhebt.«
    Er nahm den Schein wieder heraus, faltete ihn, drehte sich um und legte ihn auf den Küchentisch.
    »Ich habe deinen Koffer gepackt«, sagte sie.
    »Danke.«
    »Paß auf deinen Hals auf. Gerade um diese Jahreszeit und besonders nachts kann man sich leicht was holen.«
    »Ja.«
    »Nimmst du diese gräßliche Pistole mit?«
    Nein. Ja. Ene, mene, muh, raus bist du… dachte Martin Beck.
    »Worüber lachst du?« fragte sie.
    »Ach nichts.«
    Er ging ins Wohnzimmer, schloß das Schubfach des Schreibtischs auf und nahm die Pistole heraus, legte sie in das Deckelfach des Koffers und drückte das Schloß zu. Die Pistole war eine normale 7,65 Millimeter Walther, in Lizenz in Schweden hergestellt. Sie taugte zu fast gar nichts, und außerdem war er ein schlechter Schütze.
    Kurz darauf ging er in die Diele und zog den Trenchcoat an. Den schwarzen Hut behielt er in der Hand.
    »Willst du Rolf und Baby nicht auf Wiedersehen sagen?«
    »Es ist lächerlich, ein zwölfjähriges Mädchen noch Baby zu nennen.«
    »Ich finde das aber einfach schön.«
    »Es hat keinen Zweck, die Kinder zu wecken, und im übrigen wissen sie ja, daß ich weg muß.« Er setzte den Hut auf. »Also, leb wohl solange. Ich rufe an.«
    »Wiedersehen, und sei vorsichtig.«
    Er stand auf dem Bahnsteig und wartete auf den Vorortzug. Er hatte nichts dagegen, von zu Hause wegzufahren, trotz der halbfertigen Kiellegung des Schulschiffs Danmark, Martin Beck war nicht Chef der Mordkommission und hatte auch nicht die Absicht, es zu werden.
    Manchmal zweifelte er sogar
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