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Die Tote im Götakanal

Die Tote im Götakanal

Titel: Die Tote im Götakanal
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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Er hatte seine Jacke über die Stuhllehne gehängt und war gerade dabei, Kaffee aus einem Pappbecher zu trinken. Auf dem Rand des Aschenbechers, in dem schon eine Menge Kippen lagen, glimmte eine halb angerauchte Zigarette.
    Martin Beck hatte eine Angewohnheit, durch Türen einzutreten, die manche Leute irritierte. Jemand hatte behauptet, er beherrsche die Kunst, im Zimmer zu stehen und die Tür hinter sich geschlossen zu haben, während er gleichzeitig von außen klopfte.
    Der Mann hinter dem Schreibtisch schien leicht überrumpelt. Er setzte den Becher ab und erhob sich.
    »Ahlberg«, sagte er.
    Es war etwas Abwartendes in seiner Haltung.
    Martin Beck kannte das und wußte, worauf es be-ruhte. Er selber kam als Fachmann aus Stockholm, und der Mann hier war ein Kleinstadtpolizist, der sich mit seinen Untersuchungen festgerannt hatte.
    Die nächsten zwei Minuten würden für ihre Zusammenarbeit entscheidend sein.
    »Wie heißt du mit Vornamen?« erkundigte sich Martin Beck.
    »Gunnar.«
    »Was machen Kollberg und Melander?«
    »Weiß nicht. Irgendwas, was ich vergessen habe, nehme ich an.«
    »Haben sie so ausgesehen, als ob sie diesen Fall im Handumdrehen lösen wollten?«
    Der andere fuhr sich durch das blonde schüttere Haar. Dann lächelte er gequält und setzte sich auf den Drehstuhl.
    »So ungefähr«, gab er zu. Martin Beck ließ sich auf dem Stuhl gegenüber dem Schreibtisch nieder, zog seine Florida-Schachtel hervor und legte sie auf die Tischkante.
    »Du siehst nicht sehr begeistert aus«, begann er.
    »Mein Urlaub ist zum Teufel.« Ahlberg trank den Kaffeebecher leer, knüllte ihn zusammen und warf ihn unter den Tisch in Richtung Papierkorb.
    Die Unordnung auf seinem Schreibtisch war verblüffend. Martin Beck dachte an seinen eigenen in Kristineberg, der erheblich anders aussah. »Na«, sagte er, »wie läuft die Sache?«
    »Gar nicht«, erklärte Ahlberg. »Es ist jetzt eine Woche vergangen, und wir wissen nicht mehr, als was der Obduktionsbefund aussagt.« Aus alter Gewohnheit formulierte er den Tatbestand mit anderen Worten. »Umgebracht durch Erwürgen im Zusammenhang mit sexuellem Mißbrauch. Brutal. Möglicherweise hat der Täter perverse Neigungen.«
    Martin Beck lächelte. Der andere sah ihn fragend an. »Du sagst umgebracht. Den Ausdruck benutze ich selbst manchmal. Wir haben schon zu viele Berichte geschrieben.«
    »Tja, da magst du recht haben.«
    Ahlberg seufzte und strich sich über das Haar.
    »Vor acht Tagen haben wir sie aus dem Wasser gefischt«, fuhr er fort. »Wir wissen immer noch nicht, wer sie ist. Wir haben keine Ahnung, wo das Verbrechen begangen wurde, geschweige denn, wer es verübt hat. Wir wissen einfach gar nichts.«

4
    Tod durch Erwürgen, dachte Martin Beck bei sich.
    Er saß und blätterte einen Stapel Fotografien durch, den Ahlberg aus dem Papierwust auf seinem Schreibtisch hervorgekramt hatte. Die Bilder zeigten das Schleusenbecken, den Bagger, den Schaufeleimer in Großaufnahme, die Leiche auf der Persenning und später auf dem Tisch in der Leichenhalle.
    Martin Beck reichte Ahlberg ein Foto hinüber.
    »Diese Aufnahme können wir zurechtschneiden und retuschieren, damit sie etwas hübscher aussieht.
    Dann können wir sie von Haus zu Haus tragen und Erkundigungen einziehen. Stammt die Frau von hier, müßte jemand sie wiedererkennen. Wieviel Leute kannst du für die Sache ansetzen?«
    »Im besten Fall drei«, sagte Ahlberg. »Gerade jetzt sind wir knapp mit Personal. Drei Jungen haben Urlaub, einer liegt mit gebrochenem Bein in der Klinik. Außer dem Stadsfiskal, Larsson und mir selbst sind bloß noch acht Mann auf der Station.«
    Er rechnete an den Fingern nach. »Ja, davon eine Frau. Und jemand muß ja auch für die anderen Aufgaben da sein.«
    »Im schlimmsten Fall müssen wir eben selber einspringen. Hm… Das wird eine ganz schöne Zeit in Anspruch nehmen. Wie steht’s denn bei dir mit Sexualverbrechern?«
    Ahlberg klopfte nachdenklich mit dem Bleistift an seine Vorderzähne. Dann beugte er sich über ein Schreibtischfach und zog eine Akte heraus.
    »Wir haben einen vernommen. Aus Västra Ny.
    Hat eine vergewaltigt. Er ist vorgestern in Linköping festgenommen worden, hatte aber ein Alibi für die ganze Woche. Steht hier im Protokoll von Blomgren. Der hat das alles überprüft.«
    Er legte das Blatt in eine grüne Mappe, die auf dem Tisch lag.
    Eine Weile saßen die beiden wortlos da. Martin Beck spürte ein Ziehen im Magen und dachte an seine Frau und an ihr
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