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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich
Autoren: Tim Powers
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ging über die Lichtung zum Flußufer; die Abendbrise blähte seinen Umhang wie die halbgeöffneten Flügeldecken eines riesigen Insekts.
    Der Zigeuner seufzte und schlurfte mit einem angenommenen Hinken, von dem er sehr hoffte, daß es ihn vor der Gefahr, beim Transport des gefürchteten Korbes selbst mit anfassen zu müssen, bewahren werde.
    Folee tappte langsam am dunkelnden Flußufer entlang zu Dr. Romanys Zelt. Mit Ausnahme des heiseren Rascheins der Brise im Laub war der Abend seltsam still. Die Zigeuner schienen zu merken, daß an diesem Abend etwas Bedeutendes in der Luft lag, und schlichen still wie ihre Hunde umher, und selbst die Frösche hatten aufgehört, im Röhricht des Ufers zu springen und zu platschen.
    Das Zelt stand auf einer Lichtung, überragt von den Laubbäumen der Flußaue und im Mittelpunkt von Spannseilen und Leinen, die an den benachbarten Bäumen befestigt waren und für die Takelage eines stattlichen Schiffes ausgereicht hätten. Diese Seile, unterstützt von einem Dutzend aufrechter Stangen, hielten die im Wind klatschenden und sich blähenden Wände von Romanys unübersichtlichem und mehrschichtigem Zelt. Es glich, dachte Fikee, einer unförmigen Nonne in einem besonderen Winterhabit, die in frommer Versenkung am Fluß kauerte.
    Nachdem er mit eingezogenem Kopf unter ein paar Seilen durchgeschlüpft war, gelangte er zum Eingang, schlug den Vorhang zurück und trat in den zentralen Raum, wo er in die Helligkeit eines Dutzends Lampen blinzelte, deren Schein auf die mit Teppichen behangenen Wände und den gleichfalls mit Teppichen belegten Boden fiel.
    Dr. Romany stand von einem Tisch auf, und Fikee verspürte eine Aufwallung hoffnungslosen Neides. Warum, so fragte er sich boshaft, war es nicht Romanelli gewesen, der letzten September in Kairo den kurzen Strohhalm gezogen hatte? Fikee entledigte sich seines unscheinbaren Umhanges und des Hutes, indem er beides in eine Ecke warf. Sein kahler Kopf glänzte im Lampenschein wie unvollkommen poliertes Elfenbein.
    Romany, auf seinen hohen, mit Stahlfedereinlagen versehenen Sohlen grotesk auf und ab schnellend, kam auf ihn zu und ergriff seine Hand. »Es ist etwas Großes, was wir - Sie - heute abend beginnen«, sagte er mit tiefer, dumpfer Stimme. »Ich wünschte nur, ich könnte persönlich hier bei Ihnen sein.«
    Fikee zuckte ein wenig ungeduldig die Achseln. »Wir sind beide Diener. Mein Platz ist England, Ihrer die Türkei. Ich verstehe vollkommen, warum Sie heute abend nur...« - er machte eine unbestimmte Handbewegung - »als Ebenbild anwesend sein können.«
    »Es erübrigt sich, darauf hinzuweisen«, sage Romany, und seine Stimme wurde tiefer, als versuchte er den umgebenden Teppichen ein Echo zu entlocken, »daß Sie im Falle Ihres Todes alle Gewißheit haben, mit den angemessenen Zeremonien und Gebeten einbalsamiert und begraben zu werden.«
    »Wenn mein Vorhaben mißlingt«, antwortete Fikee, »wird es niemand anzubeten geben.«
    »Ich sagte nichts von mißlingen. Es könnte sein, daß es Ihnen gelingen wird, das Tor zu öffnen, Sie aber darüber sterben«, erklärte Romany unerschütterlich. »In solch einem Fall würde es in Ihrem Interesse sein, daß die angemessenen Vorkehrungen getroffen werden.«
    »Nun gut«, sagte Fikee mit einem überdrüssigen Kopfnicken. »Meinetwegen.«
    Vom Eingang kam das Geräusch scharrender Füße, und dann eine furchtsame Stimme. »Rya? Wo möchtet Ihr den Korb abgestellt haben? Sagt es rasch, ich glaube, Geister kommen aus dem Fluß, um zu sehen, was da darin ist!«
    »Durchaus nicht unwahrscheinlich«, murmelte Dr. Romany, während Fikee die Zigeuner anwies, den Korb hereinzutragen und auf den Boden zu stellen. Dies taten sie hastig, worauf sie so rasch wieder hinaus eilten, wie ein angemessen respektvolles Benehmen es erlaubte.
    Die zwei alten Männer blickten eine Weile schweigend auf den Korb, dann regte sich Fikee und sagte: »Ich habe meine Zigeuner angewiesen, daß sie während meiner  Abwesenheit Sie als ihr Oberhaupt betrachten sollen.«
    Romany nickte, dann beugte er sich über den großen Korb und löste die Verschnürung des Deckels. Nachdem er ihn geöffnet hatte, warf er ein paar Handvoll zerknülltes Papier beiseite und hob behutsam einen kleinen, sorgfältig verschnürten Holzkasten heraus, den er auf den Tisch stellte. Darauf wandte er sich abermals dem Korb zu und hob, grunzend vor Anstrengung, ein in Papier gewickeltes Paket heraus, das er vor sich auf den Boden legte. Es war
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