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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich
Autoren: Tim Powers
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den Zauberer selbst kostspielig und trotz der strengsten Kontrolle unberechenbar und in ihren Ergebnissen verzerrt worden war, beinahe unerträglich gefährlich gewesen. Selbst damals, dachte er, hätte nur der mutigste und in der transzendentalen Versenkung fähigste Priester gewagt, die Hekau anzuwenden, die Worte der Macht, welche Fikee heute abend aussprechen wollte: die Worte, die eine Anrufung um eine Einladung zur Besitzergreifung waren, gerichtet an die hundsköpfige Göttin Anubis - oder was heutzutage von ihr geblieben war - die in der Blütezeit der altägyptischen Kultur über die Unterwelt und die Tore von dieser Welt zu jener herrschte.
    Dr. Romany ließ seinen Blick vom Zelt weiter über den Fluß und die Heide hingehen, welche jenseits zu einer weiteren Anhöhe mit Bäumen überleitete, die ihm für ihren Umfang zu hoch schienen und ihre Äste im Wind bewegten. Eine nördliche Landschaft, dachte er, aufgerührt von einem Wind, der wie der Schnaps dieser Breiten war, scharf und rein und nach Wacholder und Beeren duftend.
    Die Fremdartigkeit dieser Dinge lenkte seine Gedanken auf die Reise nach Kairo, die er und Fikee vor vier Monaten auf den Ruf ihres Meisters, der ihre Hilfe in der neuen Krise benötigte, unternommen hatten.
    Obschon von einem erschreckenden Übel am Verlassen seines Hauses gehindert, hatte ihr Meister seit längerer Zeit ein unermeßlich großes Vermögen und eine heimliche Armee von Agenten daran gesetzt, Ägypten von den moslemischen und christlichen Einflüssen zu reinigen und, was noch schwieriger war, den regierenden türkischen Pascha und seine ausländischen Söldner hinauszuwerfen und Ägypten als eine unabhängige Macht wiederherzustellen. Die Schlacht bei den Pyramiden vor vier Jahren hatte ihm den ersten wirklichen Durchbruch beschert, obgleich es zu der Zeit so ausgesehen hatte, als ob es die endgültige Niederlage wäre, denn sie hatte den Franzosen Eingang in Ägypten verschafft. Romanys Augen wurden schmal, als er an das Knattern der französischen Musketen dachte, das an jenem heißen Julinachmittag vom Nil herübergedrungen war, untermalt von den dumpfen Trommelwirbeln der angreifenden Mameluckenkavallerie. Beim Anbruch der Dunkelheit waren die Armeen der ägyptischen Gouverneure Ibrahim und Murad Beg geschlagen und die Franzosen unter dem jungen General Napoleon im Besitz der Macht gewesen.
    Ein wildes und gequältes Aufheulen brachte Dr. Romany auf die Beine; der Laut schlug von den Bäumen am Ufer zurück und dauerte mehrere Sekunden an, und als er verstummt war, konnte man in der Stille die Stimme eines Zigeuners hören, die ängstlich schützende Beschwörungsformeln betete. Aus dem Zelt drangen keine weiteren Geräusche, und Romany ließ den angehaltenen Atem ausströmen und kauerte wieder nieder. Viel Glück, Amenophis, dachte er - ich würde sagen: »Mögen die Götter Ihnen beistehen«, aber darüber werden Sie jetzt selbst befinden. Er schüttelte unbehaglich den Kopf.
    Als die Franzosen die Macht an sich gerissen hatten, war allem Anschein nach das Ende aller Hoffnung, die alte Ordnung wieder zu errichten, gekommen, und ihr Meister hatte durch schwierige zauberische Manipulation von Winden und Gezeiten dem britischen Admiral Nelson unbemerkt Hilfe geleistet, als der letztere kaum zwei Wochen später die französische Flotte vernichtet hatte. Darauf hatte die französische Besetzung sich zum Vorteil ihres Meisters gewendet; die Franzosen beschnitten die selbstherrliche Machtausübung der Mameluckenbeys und vertrieben im Jahr 1800 die türkischen Söldner, die das Land im Würgegriff gehalten hatten. Und der französische General Kleber, der nach Napoleons Rückkehr nach Frankreich das Kommando in Kairo übernommen hatte, mischte sich nicht in ihres Meisters politische Intrigen und seine Bemühungen, die moslemische und koptische Bevölkerung in die alte pantheistische Verehrung der Götter Osiris, Isis, Horus und Ra zurückzulocken. Es sah tatsächlich so aus, als sollte die französische Besetzung für Ägypten bewirken, was Dr. Jenners Kuhpocken offensichtlich im menschlichen Körper bewirkten, nämlich eine leichte und ungefährliche Infektion, die nach kurzer Zeit überwunden wurde, und eine andere, tödliche verhinderte, die sich erst mit dem Absterben des Wirtes zufrieden gab.
    Von da an hatte es natürlich schiefgehen müssen. Irgendein Verrückter aus Aleppo erstach Kleber auf einer Kairoer Straße und in den folgenden Monaten allgemeiner Verwirrung
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