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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich
Autoren: Tim Powers
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gleichzeitig: Schatten der Schändlichkeit.
    Trotz der glühenden Wüstenhitze wurde ihm kalt in der Magengrube, aber er erinnerte sich einer Kreatur, die wimmernd und sich wälzend in Stücke zerbrochen und zu Staub zerfallen war, und so kniff er lediglich die Lippen zusammen, als er den Namen gehorsam kopierte.
    Als sie wieder in Kairo anlangten, verzögerte der Meister Romanellis Rückkehr in die Türkei lange genug, um aus dem Faut der magischen Flüssigkeit ein Duplikat von ihm zu verfertigen. Dieses belebte Duplikat, oder Ka, sollte angeblich mit Fikee nach England reisen und ihm helfen, die Anrufung des Anubis vorzunehmen, aber alle drei wußten, daß seine Hauptaufgabe darin bestehen würde, Fikee zu überwachen und jegliche Vernachlässigung seiner Pflichten zu verhüten. Da das seltsame Paar bei Pikees Zigeunersippe leben würde, bis das Buch und die Phiole mit dem Blut ihres Meisters einträfe, taufte Pikee den Ka Dr. Romany, nach dem Wort, das die Zigeuner dieses Stammes für ihre Sprache und Kultur gebrauchten.
    Ein neuerliches Geheul drang aus dem Zelt flußabwärts, und diesmal klang es mehr nach Metallstücken, die gegeneinander geschlagen und aneinander gerieben wurden, denn als die Äußerung einer organischen Kehle. Das Geräusch schwoll in Höhe und Umfang an, ließ die Luft vibrieren wie eine plötzlich entspannte Bogensehne, und für einen Augenblick, währenddessen Romany wie betäubt bemerkte, daß der Fluß still stand wie eine Fläche aus geriffeltem Glas, dauerte das klirrende, kratzende Schrillen an und erfüllte die dunkle Landschaft. Dann schien etwas zu brechen, als ob eine gewaltige Blase über ihnen lautlos aber fühlbar geplatzt wäre. Das geisterhafte Geheul brach ab, und als die zersplitterten Geräuschpartikel in einem verrückten, verzweifelten Schluchzen verklangen, fühlte Romany die Rückkehr des gewohnten Luftdrucks; und als hätten alle Moleküle in der Dunkelheit ringsum auf einmal sogar ihren gewohnten Zusammenhalt gelockert, ging das Zelt in grellgelben Flammen auf.
    Im hellen Widerschein des Feuers eilte Romany am Ufer zurück, stieß den brennenden Vorhang beiseite und sprang in das raucherfüllte Innere. Fikee kauerte schluchzend in der Ecke. Romany schlug das Buch Toth zu und legte es in den goldenen Kasten, klemmte diesen unter den Arm und stolperte wieder hinaus.
    Kaum hatte er sich aus der mörderischen Hitze gerettet, da hörte er hinter sich ein winselndes, bellendes Geräusch und wandte sich um. Fikee war aus dem Zelt gekrochen und wälzte sich am Boden, vermutlich, um die Glut seiner schwelenden Kleider zu ersticken.
    »Amenophis!« rief Romany durch das Prasseln der Flammen.
    Fikee kam auf die Beine und warf Romany einen Blick zu, der allen Wiedererkennens bar war, dann warf er den Kopf zurück und heulte wie ein Schakal zum Mond auf.
    Ohne einen Augenblick zu zögern, griff Romany mit beiden Händen in seinen Umhang und zog zwei Steinschloßpistolen hervor. Er brachte eine in Anschlag und feuerte sie ab, und Fikee klappte in der Mitte zusammen und setzte sich zwei Schritte hinter der Stelle, wo er gestanden hatte, unsanft ins Gras; einen Augenblick später warf er sich jedoch herum und lief in die Dunkelheit davon, bald auf zwei Beinen, bald auf allen vieren.
    Romany zielte mit der anderen Pistole, so gut er konnte, und feuerte wieder, aber die fliehende Gestalt schien nicht aus dem Tritt zu kommen, und bald verlor er sie aus den Augen. »Verdammt«, flüsterte er. »Stirb dort draußen, Amenophis! Das bist du uns schuldig.«
    Er blickte zum Himmel auf; kein Zeichen deutete auf die Herabkunft irgendwelcher Götter; er blickte lange genug nach Westen, um sich zu vergewissern, daß die Sonne keine Anstalten machte, wieder über den Horizont zu steigen. Dann schüttelte er in tiefer Ermattung den Kopf.
    Wie die meisten modernen Zauber, dachte er bitter, hatte auch dieser wahrscheinlich etwas bewirkt, aber nicht das, was er bewirken sollte.
    Schließlich steckte er die Pistolen ein, hob den Kasten mit dem Buch auf und ging auf seinen federnden Sohlen langsam zurück zum Zigeunerlager. Selbst die Hunde hatten sich verkrochen, und Romany traf niemanden, als er durchs Lager zu Pikees Zelt ging. Im Inneren legte er den goldenen Kasten aus der Hand, zündete eine Lampe an und arbeitete dann bis tief in die Nacht mit Pendel, Wasserwaage, einem Teleskop und einer Stimmgabel sowie mit großen Mengen von komplizierten geometrischen und alchimistischen Berechnungen, um zu
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