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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich
Autoren: Tim Powers
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Nähe der Threadneedle Street getötet hatte... Aber dort endete zu Doyles Kummer die Fährte.
    Ashbless war anscheinend niemals hinreichend betrunken gewesen, Madame de Staël die ganze Geschichte zu erzählen - denn sie hätte sicherlich davon berichtet, wenn er es getan hätte -, und die Bailey-Biographie ging natürlich überhaupt nicht auf diese Ereignisse ein.
    Und von welcher Art waren die Umstände seines Todes? Der Mann hatte sich zu Lebzeiten weiß Gott viele Feinde gemacht, dachte Doyle, aber welcher von ihnen hatte ihm - wahrscheinlich am 12. April 1846 - aufgelauert? Im Mai hatte man seinen Leichnam in einer Wiese am Themseufer gefunden - zwar bereits in Verwesung übergegangen, aber nachweislich der seine. Und nachweislich durch einen Degenstich in den Bauch getötet.
    Hol's der Teufel, dachte Doyle und blickte niedergeschlagen auf das Buch in seinem Schoß, über Shakespeares Leben ist mehr bekannt. Und Ashbless war ein Zeitgenosse solch erschreckend gründlich beschriebener Leute wie Lord Byron! Zugegeben, der Mann war ein zweitrangiger Dichter, dessen spärliches und schwieriges Werk völlig vergessen wäre, statt von Zeit zu Zeit in besonders vollständigen Anthologien bruchstückhaft nachgedruckt zu werden, hätten Hazlitt und Wordsworth nicht einige herabsetzende Bemerkungen darüber gemacht... Trotzdem hätte das Leben dieses Mannes mehr Spuren hinterlassen müssen.
    Durch die Fenster auf der anderen Seite des Flugzeugs sah er die funkelnden Lichter Londons aufsteigen, als die riesige Maschine sich zum Landeanflug in die Kurve legte, und folgerte, daß die Stewardess ihm so kurz vor der Landung nicht noch ein Getränk bringen würde. Er blickte in die Runde, dann zog er verstohlen seine flache Flasche aus der inneren Jackentasche, schraubte die Kappe ab und goß zwei Fingerbreit Laphroaig in den Plastikbecher, in welchem sein letztes Getränk serviert worden war. Er steckte die Flasche wieder ein und entspannte sich. Am liebsten hätte er sich noch eine der Upmann-Zigarren angezündet, die in der Brusttasche auf der anderen Seite warteten.
    Er nippte vom warmen Scotch und lächelte - Laphroaig war immer noch verdammt gut, wenn auch nicht mehr das Wunder, das er gewesen war, als man ihn mit der Normalstärke 91,4 abgefüllt hatte. Und überhaupt, dachte er bei sich, diese neuen Upmann-Zigarren aus der Dominikanischen Republik sind nicht annähernd, was sie waren, als sie noch auf den Kanarischen Inseln gerollt wurden.
    Und keine der jungen Damen, mit denen ich nach Rebecca gegangen bin, ist in irgendeiner Weise interessant gewesen.
    Er schlug das alte Buch auf und betrachtete den Stich gegenüber dem Titel, ein Porträt, das nach der Büste von Thorwaldsen angefertigt worden war: die eingesunkenen Augen des erschreckend bärtigen Dichters starrten ihn aus dem Bild an, und die Geschicklichkeit des Bildhauers hatte sogar in der Büste verstanden, die große, breitschultrige Statur anzudeuten. Wie war es in deiner Zeit, William? dachte Doyle. Waren die Zigarren und der Scotch und die Frauen vielleicht besser als heute?
    Für einen Augenblick bildete er sich ein, daß Ashbless' schwaches ironisches Lächeln ihm gelte... dann, in einem Moment so starken Schwindelgefühls, daß er beinahe den Becher fallengelassen hätte und mit der freien Hand die Sitzlehne umklammerte, schien es ihm, als blicke Ashbless ihn durch ein Bild und über einhundertfünfzig Jahre hinweg wirklich und in geringschätziger Erheiterung an.
    Doyle schüttelte energisch den Kopf und klappte das Buch wieder zu. Daran erkennst du, daß du müde bist, sagte er sich: wenn einer, der seit einem Jahrhundert tot ist, dir aus einem Bild zuzuzwinkern scheint. Das ist mit Coleridge nie passiert.
    Er steckte das Buch neben einem anderen, das er als Beglaubigung mitgebracht hatte, in die Aktentasche; es war The Nigh- Related Guest, eine Biographie Samuel Taylor Coleridges von Brendan Doyle. Er hatte diesem Werk eine ausführliche Studie über die englischen romantischen Dichter der »Seeschule« folgen lassen wollen, aber die Besprechungen des vorausgegangenen Buches in der Presse, und seine Verkaufszahlen, hatten den Herausgeber im Verlag der Devriess University Press zu der Anregung veranlaßt, er möge sich doch, wie der Herausgeber es ausgedrückt hatte, »einem weniger bekannten Gebiet« zuwenden. »Ich habe Ihre zwei Beiträge bewundert«, hatte der Herausgeber hinzugefügt, »in denen Sie sich mit einigem Erfolg bemühten, den dunklen
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