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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich
Autoren: Tim Powers
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mögen, über Bord werfen. Es hat nichts mit alledem zu tun. Hier.« Er gab Doyle einen Becher. »Sie wissen Bescheid über Coleridge, nicht wahr?«
    Doyle bejahte vorsichtig.
    »Und Sie kennen seine Zeit? Was in London, in England, in der Welt vorging?«
    »Einigermaßen gut, denke ich.«
    »Mit meiner Frage meine ich nicht, ob Sie zu Hause Bücher über diese Dinge haben, oder ob Sie wissen, wo man dergleichen in der Bibliothek finden kann. Ich meine, ob Sie dies alles im Kopf haben, der leichter zu transportieren ist. Lautet Ihre Antwort immer noch ja?«
    Doyle nickte.
    »Erzählen Sie mir von Mary Wollstonecraft. Der Mutter, nicht derjenigen, die Frankenstein schrieb.«
    »Nun, sie war eine frühe Feministin, schrieb ein Buch mit dem Titel, warten Sie, Eine Verteidigung der Frauenrechte, glaube ich, und....«
    »Wen heiratete sie?«
    »Godwin, Shelleys Stiefvater. Sie starb im Kindb...«
    »Hat Coleridge wirklich Schlegel plagiiert?«
    Doyle zögerte. »Äh... ja. Offensichtlich. Aber ich bin der Meinung, daß Walter Jackson Bäte recht hat, wenn er es mehr dem Umstand zuschreibt, daß...«
    »Wann fing er mit dem Opium an?«
    »Als er in Cambridge war, glaube ich, nach 1790.«
    »Wer war der...?« begann Darrow, wurde aber vom Läuten eines Telefons unterbrochen. Der alte Mann fluchte, stand auf und ging zum Telefon. Sobald er den Hörer abgenommen hatte, fuhr er in einem offenbar schon länger im Gang befindlichen Streit über Partikel und Bleiverkleidungen fort.
    Aus Höflichkeit wie aus mangelndem Interesse wandte Doyle seine Aufmerksamkeit einem Bücherstapel zu, und im nächsten Augenblick wurde sein geheucheltes Interesse echt, und er nahm den obersten Band vom Stapel und schlug ihn auf.
    Sein halb ungläubiger Verdacht bestätigte sich - es war das Tagebuch von Lord Robb, dessen Fotokopie er seit einem Jahr vergeblich vom British Museum zu erlangen bemüht gewesen war. Wie Darrow in den Besitz des Originals gekommen war, blieb unerfindlich. Obwohl Doyle den Band nie gesehen hatte, hatte er Beschreibungen davon gelesen und wußte, was es war. Lord Robb war ein Amateurkriminologe gewesen, und sein Tagebuch war die einzige Quelle über einige der faszinierendsten und vielfach ungeklärt gebliebenen Kriminalfälle der Zeit zwischen 1810 und 1830; unter den Geschichten von zum Mord dressierten Ratten, Racheakten von jenseits des Grabes und geheimen Bruderschaften von Dieben und Bettlern enthielt er den einzigen genauen Bericht über die Gefangennahme und Hinrichtung des legendären Londoner Mörders, der als Hundsgesicht-Joe bekannt und angeblich ein Werwolf gewesen war, ein Mann, der dem Vernehmen nach mit jedem, den er dazu ausersah, die Gestalt tauschen konnte, aber unfähig war, dabei den Fluch der Lycanthropie hinter sich zu lassen. Doyle war bemüht gewesen, diese Geschichte irgendwie mit der Tollheit der tanzenden Affen in Verbindung zu bringen, wenigstens im Rahmen einer jener spekulativen Fußnoten, die hauptsächlich zeigen sollen, wie gründlich der Autor seine Hausaufgaben gemacht hat.
    Als Darrow auflegte, klappte Doyle das Buch zu und legte es wieder auf den Stapel, nicht ohne sich vorzunehmen, den alten Mann später um eine Kopie davon zu bitten.
    Darrow setzte sich wieder hinter den Bücherstapel, auf dem die Flasche und die Pappbecher standen, und nahm den Faden an der Stelle auf, wo er abgebrochen hatte. In den nächsten zwanzig Minuten feuerte er Frage um Frage auf Doyle ab, sprang dabei von einem Thema zum anderen und ließ seinem Gesprächspartner kaum Zeit, nähere Erläuterungen zu geben, obwohl er gelegentlich jede Einzelheit zu wissen verlangte, die Doyle über einen bestimmten Punkt wußte; Fragen über die Ursachen und Auswirkungen der Französischen Revolution, das Liebesleben des britischen Prinzregenten, Details über zeitgenössische Kleidung und Architektur, über Unterschiede in regionalen Dialekten. Dank seinem guten Gedächtnis und seinen Forschungen über Ashbless und dessen Leben gelang es Doyle, fast alle Fragen zu beantworten.
    Schließlich lehnte sich Darrow zurück und zog eine Packung filterloser Zigaretten aus der Tasche. »Nun«, sagte er, nachdem er sich eine angezündet und einen tiefen Lungenzug getan hatte, »möchte ich, daß Sie eine Antwort erfinden.«
    »Erfinden?«
    »Richtig. Angenommen, wir befinden uns in einem Raum voller Menschen, und mehrere Leute verstehen wahrscheinlich mehr über Literatur als Sie, aber Sie sind als der unbestrittene Fachmann
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