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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers
Autoren: Wilken Constanze
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kleinen Krippe und schrie.
    Â»Ines! Dein Sohn hat Hunger!«, rief Beatrice. Sofort schlug die Tür des Haupthauses auf, eines schlichten zweistöckigen Gebäudes, und Ines kam mit rotverschmierten Händen heraus.
    Â»Ich koche Tomaten ein. Ich kann ihn jetzt nicht füttern. Ah, Gino, du bist ein Nimmersatt.« Ines wedelte hilflos mit den klebrigen Händen. Ihre Schürze war ebenfalls voller Tomatensoße, doch ihre vollen Wangen glühten, sie war ganz in ihrem Element.
    Â»Geh nur, ich gebe ihm etwas Honig. Das wird ihn beruhigen.«
    Â»Danke, Madonna.« Ines verdrehte lachend die Augen und ging wieder ins Haus.
    Beatrice suchte auf einem Tisch, der an der Hauswand stand, nach dem Honigtopf und steckte einen ihrer Finger hinein, den sie dann Gino hinhielt. Es war ihre größte Freude, dass Ines und Ugo mit Lelo nach Calascibetta gekommen waren. Nachdem sie in Rom von Marcina verletzt worden war, hatte sie sich im Haus ihres Onkels verkrochen. Die Schnittwunde war tief, aber nicht gefährlich gewesen und gut verheilt. Die Narbe würde mit der Zeit verblassen. Was nicht verblassen würde, waren die Narben auf ihrer Seele. Ihr Glaube an die Gerechtigkeit war zerbrochen, als es selbst Niccolò nicht gelungen war, Marcina einer offiziellen Verurteilung zuzuführen. Zu ihren Gönnern gehörten ein Kardinal und der Onkel der Marchesa Chigi.
    Auf Dauer hatte sich Beatrice in Baldassares Haus nicht wohlfühlen können, denn auch wenn sie gelegentlich im Kontor aushalf, ließ ihr Onkel keinen Zweifel daran, dass er Kinder hasste. Und so fiel ihr die Entscheidung leicht, nachdem Tomeo ihr geschrieben hatte, sie solle nach Sizilien gehen. Nachdem sie sich auf dem Gut eingelebt und sich mit der Aufzucht der Raupen und den Maulbeerbäumen vertraut gemacht hatte, war ihr der Gedanke gekommen, Ines und ihren Mann herzuholen.
    Der wichtigste Grund für diese Entscheidung war ihre Einsamkeit hier gewesen. Obwohl Alba ein liebes Mädchen war, konnte sie Ines nicht ersetzen. Mit Ines verbanden sie viele gemeinsame Jahre und Erinnerungen an glückliche und schwere, gemeinsam durchlebte Zeiten. Ines war ihre Freundin, ihre große Schwester, die man ihr einfach von der Seite gerissen hatte, als sie sie am meisten gebraucht hätte. Aber jetzt war sie hier.
    Sie war im Frühjahr mit Ugo und Lelo von Pisa mit dem Schiff heruntergefahren. Die beiden Brüder waren von der Idee, eigene Stoffe herzustellen, begeistert gewesen und verblüfften die sizilianischen Seidenweber mit ihren Fachkenntnissen und neuen Ideen für verbesserte Webstühle. Es würde nicht einfach werden, neue Vertriebswege und Abnehmer zu finden, vor allem nicht nach dem furchtbaren »Sacco di Roma«, diesem Überfall auf Rom, den niemand für möglich gehalten hatte. Beatrice seufzte und wischte ihre Hand an einem Tuch ab. Gino war eingeschlafen, und Giulia spielte zufrieden mit einem Stoffball.
    Als sie von der Katastrophe gehört hatte, war sie zitternd zusammengebrochen. Ihre einzige Sorge war Tomeo gewesen. Wochenlang hatte sie auf ein Lebenszeichen von ihm gewartet, bis im Juli endlich ein Brief eingetroffen war. Er war schwer verwundet worden, hatte fast seinen Arm verloren, doch befand er sich nun auf dem Weg der Besserung und hielt sich mit seinem Burschen in einem Benediktinerkloster in den Bergen bei Subiaco auf. Vor eineinhalb Monaten hatte sie einen weiteren Brief erhalten, den sie immer bei sich trug. Beatrice setzte sich auf die Bank am Haus und holte den vom vielen Lesen zerknitterten Brief aus ihrer Gürteltasche. Liebevoll strich sie das feste Papier auseinander und überflog die Zeilen, die sie auswendig kannte, doch es waren seine Schriftzüge, und im Geiste sah sie ihn vor sich, hörte ihn lachen und wünschte sich nichts sehnlicher, als ihn noch einmal in die Arme schließen zu können.
    Geliebte Beatrice,
    San Benedetto oder Sacro Speco, wie der Konvent wegen seiner heiligen Grotte genannt wird, ist ein wundervoller, friedvoller Ort. Ich bin dankbar, dass die Mönche mich und Gian Marco aufgenommen haben. Ohne die Heilkunst der Mönche und die Ruhe, die ich hier fand, wäre ich nicht in der Lage, Euch diese Zeilen zu schreiben. Vielleicht läge ich dann auch in einem namenlosen Grab auf irgendeinem Friedhof in Rom, wie mein Bruder.
    Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, und ich habe versucht, Federico zu verstehen, aber es gelingt mir nicht. Was
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