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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers
Autoren: Wilken Constanze
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Richtung Norden. Ich habe Familie in Straßburg und Lüttich, die freuen sich, mich zu sehen.«
    Â»Ich wünschte, ich hätte etwas von Eurer Gelassenheit, Tuveh.« Tomeo lächelte.
    Â»Oh, das ist die jahrhundertelange Erfahrung meines Volkes, das immer wieder verfolgt und verjagt wurde. Wir sind daran gewöhnt. Aber was werdet Ihr jetzt tun? Bleibt Ihr hier?«
    Â»Nein. Leyva und Kaspar Frundsberg werden mit einer Mannschaft als Befehlshaber in Mailand bleiben, alle anderen gehen mit Bourbon. Wir werden Frundsberg in der Nähe von Firenzuola treffen, und dann …« Tomeo mochte den Satz nicht zu Ende sprechen. »Darf ich Euch um einen Gefallen bitten?« Er zog einen Brief aus seinem Wams.
    Â»Unser Botensystem funktioniert nach wie vor. Natürlich werde ich den Brief nach Rom schicken. Warum geht Ihr nicht selbst? Was schuldet Ihr denen?«
    Â»Ich schulde es mir und meinem Gewissen. Wenn nur noch Söldner ohne Kommandeure durch das Land ziehen, wird das Morden grenzenlos sein. Zumindest haben sie noch Respekt vor Bourbon, Maramaldo, Cajazzo, mag er sein, wie er will, und vor mir. Ich selbst bin voller Begeisterung für Karl in den Krieg gezogen, habe nach der Schlacht bei Pavia gejubelt und geglaubt, dass wir einen großen Sieg für ein neues Römisches Reich errungen haben. Viele junge Männer, gute Männer, haben sich uns angeschlossen, weil auch sie an den Traum des Kaisers glauben …« Für Sekunden schloss Tomeo die Augen.
    Â»Ihr glaubt nicht mehr daran.«
    Tomeo sah seinen jüdischen Freund nachdenklich an. »Etwas, das mit so viel Blut erkämpft wurde, kann nur ein Albtraum sein. Aber …« Er atmete tief ein. »Es ist meine Pflicht, diesen Feldzug bis zum Ende mitzumachen, um die Mordlust der Landsknechte und spanischen Söldner einzudämmen, wie es in meinen Kräften steht, um ihnen zu zeigen, dass dieser Krieg einem höheren Ziel dient.«
    Tuveh legte ihm seine Hand auf die Schulter. »Geht mit Gott, mein Freund. Ich werde für Euch beten, und wenn es bestimmt ist, sehen wir uns wieder.« Er zwinkerte und strich sich rasch über den Bart.
    Tomeo hätte nicht sagen können, ob ben Schemuel eine Träne verdrängt hatte. Traurig ging er durch die leeren Straßen. Selbst in der Via dei Mercanti waren kaum Händler oder Käufer zu sehen. Wie auch? Musste doch jeder Bürger Mailands abgeben, was er nicht zum Überleben brauchte. Tuveh würde Beatrice seinen Brief senden. Auf den Botendienst der jüdischen Händler war mehr Verlass als auf die scarsella dei lombardi . Beatrice musste Rom verlassen und nach Sizilien gehen, um dort auf ihn zu warten. Er hätte sie schon vorher drängen sollen, Rom zu verlassen. Aber seit der Messerattacke hatte Beatrice Angst, überhaupt das Haus ihres Onkels zu verlassen. Seit dem Aufstand der Colonnas war es nicht mehr ratsam, sich in Rom aufzuhalten. Niemand wusste, wie sich der Konflikt zwischen den Ghibellinen, die sich um Colonna im gesamten Latium gesammelt hatten, und dem Papst entwickeln würde. Wenn jetzt das kaiserliche Heer anrückte, erhielten die Ghibellinen in Rom Rückendeckung und würden vielleicht einen neuen Aufstand wagen. Als er die Piazza del Duomo erblickte, verbot er sich alle Gedanken an Beatrice und konzentrierte sich auf seine Aufgaben als Kommandant. Wenn er lebend aus diesem Feldzug hervorgehen wollte, durfte er sich Unachtsamkeit und Schwäche nicht erlauben.
    Â 
    Die Monate bis zum siebten Mai 1527 waren eine grauenvolle Aneinanderreihung von Scharmützeln mit versprengten päpstlichen Truppenteilen, die sich abwechselten mit Gewaltmärschen bei Regen und Kälte, unterbrochen von scheinbar endlosen Warteperioden in elendig dreckigen Lagern, in denen es kaum etwas zu essen gab und wo Läuse und Fleckfieber grassierten. In diesen Monaten schien sich der Himmel über ihnen geöffnet zu haben, um das mordende und plündernde Kriegsvolk, das durch Italien zog, mit Regen zu ertränken. Mit ihren riesigen Spießen und verrosteten Panzern boten die Söldner einen furchterregenden Anblick, und Tomeo schämte sich dafür, zu diesem unheilbringenden Tross zu zählen. Die Landsknechte gebärdeten sich immer wilder und schrien wütend nach Geld. Ihr maßloses Verhalten trieb den alten Frundsberg so weit, dass er einen Schlaganfall erlitt und nach Ferrara gebracht werden musste. Ständig
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