Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers
Autoren: Wilken Constanze
Vom Netzwerk:
wurden Boten zwischen Clemens und dem kaiserlichen Heer hin- und hergeschickt, doch die Söldner wollten sich mit Almosen nicht mehr zufriedengeben. In seiner Not entließ Clemens seine Truppen bis auf die zweitausend Mann starke Schweizergarde und zweitausend Soldaten der Bande Nere, um dreißigtausend Dukaten monatlich zu sparen. Er hoffte durch dieses Zugeständnis auf ein Einlenken Bourbons und Lannoys, doch die Kommandeure hatten längst die Kontrolle über die Söldner verloren.
    In der Nacht zum sechsten Mai stand Tomeo mit den anderen Heerführern neben Bourbon auf dem Vorhof des Klosters San Onofrio, von dem aus sie einen herrlichen Blick auf Rom hatten. Nur wenige Lichter blinkten vom Tiber, dem Vatikan und der Stadt jenseits des Flusses herüber. Bourbons blonde Haare wehten im Wind. Sein goldener Brustpanzer glänzte, doch seine Miene war ernst.
    Â»Hier stehen wir nun, capitano , mein ewiger Zweifler. Hinter uns das päpstliche Heer, vor uns die unüberwindlichen Mauern Roms, und wir haben einen Haufen von Mördern und Tagelöhnern, die vor Hunger nicht in den Schlaf kommen und nur schreien: ›Der Antichrist‹, ›Sodom und Gomorrha.‹« Der Connétable stieß hart die Luft aus. »Ich habe das nicht gewollt, aber jetzt gibt es kein Zurück. Macht Euren Frieden mit Gott.« Er drehte sich um und hob einen Arm, woraufhin die Trommler zum Sammeln schlugen.
    Tomeo erbebte bei dem durchdringenden Geräusch, das die bevorstehende Schlacht ankündigte. Es war unheimlich, die sich wie lange Lindwürmer bewegenden Kompanien unten auf den Feldern zu sehen. Fackelträger begleiteten die Abteilungen zu den vorher bestimmten Toren und Mauerstellen, an denen im Morgengrauen der Ansturm erfolgen sollte. Die Trommeln dröhnten dumpf durch die Nacht, und langsam erhob sich aus den heiseren Kehlen von Tausenden von Soldaten ein vielsprachiger Schlachtruf gegen Rom. Als die ersten Sonnenstrahlen den Morgennebel durchdrangen, erhob sich ein ohrenbetäubendes Gebrüll, und die Kriegshorden stürmten auf die Mauern der Ewigen Stadt zu, hinter denen sie unzählige Kirchen und prachtvolle Palazzi wussten, die mit goldenen und silbernen Gerätschaften, Schätzen aus Kunst und Kultur und dem gesamten Reichtum der Christenheit gefüllt waren.
    Ohne Geschütze, mit Leitern, die sie in aller Hast aus den Pfählen der Weinberge gefertigt hatten, rannten die Landsknechte und Söldner mit Spießen und Hellebarden, Schwertern und Handrohren auf die Mauern zu. Der vom Tiber aufsteigende dicke Morgennebel bedeckte die Wälle und schützte die Angreifer vor den römischen Scharfschützen. Tomeo ritt mitten unter seinen Männern Richtung Porta Santo Spirito und erfuhr erst später vom Tod des Connétable Bourbon, der als einer der Ersten über die Mauern geklettert und von einer Flintenkugel getroffen worden war. Während dieses Ansturms im Nebel schossen Spanier auf Deutsche und umgekehrt. Bourbons Tod trieb die Söldner nur noch mehr an, Rom dem Erdboden gleichzumachen. Wie ein Heer von grimmigen Teufeln stürzten sie brüllend in die Stadt und metzelten Bewaffnete und Wehrlose, Kinder und Frauen ohne Ausnahme nieder.
    Tomeo preschte auf seinem Pferd durch das infernalische Kampfgewühl und schrie: »Ihr Wahnsinnigen! Nicht die Frauen und Kinder! Sie haben euch nichts getan!«
    Er sah die Schweizergarde am vatikanischen Obelisken bis auf den letzten Mann fallen, sah, wie ein Haufen Spanier Feuer in den Häusern am Borgo legte. Lebendige Fackeln torkelten aus den Gebäuden, im Hospital Santo Spirito verwüsteten die Söldner alles und mordeten sogar die Kranken nieder. Blind hieb Tomeo mit dem Schwert um sich, wobei ihm Tränen über das Gesicht liefen, und er brüllte: »Warum? O Gott, warum?«
    Die Mordknechte brachen in Kirchen und Klöster ein, schändeten die Nonnen, raubten das Kirchengerät, plünderten Palazzi und trieben die Bewohner auf die Straßen, um sie dort zu demütigen. Tomeo sah Landsknechte, die sich Perlen in die blutverschmierten Bärte flochten und sich mit dem Schmuck der Adligen behängten, sie wirkten wie Ausgeburten der Hölle.
    Â»Der Papst ist in die Engelsburg geflohen!«, schrie Gian Marco, der dicht hinter ihm ritt und auf bewaffnete Römer einschlug, die sich immer weniger wehrten. »Wohin wollt Ihr?«
    Â»Zum Haus von Caprese. Ich will wissen, ob
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher