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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers
Autoren: Wilken Constanze
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auch immer ihn getrieben hat, es kann nicht wertvoll genug gewesen sein, um dafür seine Familie zu zerstören und das Wohl einer Stadt zu riskieren.
    Vor einiger Zeit bin ich auf einer meiner vielen Reisen mit Gian Marco bei einem Einsiedlermönch gewesen. Dieser Mann war ein Soldat wie ich und hat vor vielen Jahren gegen die Türken gekämpft. Mitten auf dem Schlachtfeld hat ihn Gottes Ruf ereilt, und er legte seine Waffen nieder, um fortan das Leben eines Mönchs zu führen. Er sagte mir, dass man einem inneren Ruf folgen muss und dass ein Rückzug ins Kloster keine Flucht vor der Welt sein darf.
    Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie oft ich mir gewünscht habe, hier oben bleiben zu können, um meinen Frieden zu finden. Was ich auf dem Zug des Heeres durch Italien und später in Rom erlebt habe, sprengt jede Vorstellung, und die Albträume quälen mich jede Nacht.
    Beatrice wischte sich die Augen. Nein, sie konnte sich nicht vorstellen, was er gesehen und durchgemacht hatte. Aber sie verstand seine Qualen und seine Zweifel.
    Ich spreche täglich mit den Mönchen. Ihre Gelassenheit gibt mir Kraft. Gian Marco hat genug von dem einsiedlerischen Leben in den Bergen, aber er ist der festen Überzeugung, dass er mich beschützen muss. Und ich kann ihm nicht widersprechen, denn ohne ihn wäre ich bereits im Sturm auf Rom gefallen. Vielleicht bringt er mich auf den richtigen Weg, aber ich denke auch oft an jenen Einsiedler, der schon damals erkannte, dass ich mein Schwert nicht allein für Gott niederlegen würde.
    Wir sehen uns wieder, denn Ihr seid mein Grund, an Gott zu glauben.
    Tomeo
    Sorgsam faltete sie den Brief zusammen und hielt ihn fest zwischen den Händen. Vielleicht konnte sie wirklich nicht verstehen, was in ihm vorging, aber sie wollte nicht glauben, dass er seinen Frieden hinter Klostermauern finden konnte. Giulia gluckste vor Vergnügen und rief Beatrice in die Gegenwart zurück. Sie sollte dankbar sein für das, was sie hatte.
    Die Tür ging auf, und Ines kam mit sauberen Händen heraus. Sie entdeckte den Brief in Beatrices Händen. »Madonna, warum geht Ihr nicht in die Werkstatt? Ugo und sein Bruder haben neue Entwürfe gemacht, und dann könntet Ihr die Qualität der weißen Tücher prüfen. Ich finde ja, dass die neue Weberin aus Enna nicht dicht genug arbeitet, aber das wisst Ihr besser. Jetzt habe ich Zeit für die Kinder. Wo ist Alba? Sie kann in der Küche aufräumen.« Aufmunternd sah Ines ihre Herrin an, die sich seufzend erhob und den Brief einsteckte.
    Â»Du willst mich nur ablenken, Ines. Aber ich gehe. Danke.« Sie legte kurz ihre Hand auf Ines’ Arm und ging schweren Herzens über den Hofplatz.
    Die hohe, lichtdurchflutete Werkstatt, in der zehn große Webstühle standen, war ihr Lieblingsort auf dem Gut. Über den sauber gefegten Lehmboden ging sie zum Ende des rechteckigen Raumes, wo ein langer Tisch stand, auf dem die Stoffmuster ausgebreitet und geprüft wurden. Zwei breite Kassettenschränke und Regale füllten die Hinterwand. Neben einem weißen Stoffballen lagen zwei Rollen auf dem Tisch. Das mussten die Entwürfe sein. Beatrice entrollte die großformatigen Papiere und beschwerte sie mit runden Steinen, die zu diesem Zweck in einem Holzkasten unter dem Tisch lagen. Gleich würden die Arbeiter zurückkommen, die zu einer Messe gegangen waren. Hier auf dem Lande waren die Menschen fromm, aber auch daran gewöhnte sie sich.
    Sie nahm ein Kohlestück und korrigierte Blattornamente, die sie für zu groß hielt. Von Zeit zu Zeit hob sie den Kopf und sah durch die Werkshalle zur Tür. Irgendwann, dachte sie, irgendwann würde sich diese Tür öffnen, und Tomeo würde hindurchtreten. Und mit dieser Hoffnung im Herzen setzte sie lächelnd ihre Arbeit fort.

Nachwort
    Was Personen, Orte und Begebenheiten anbelangt, habe ich mir einige Freiheiten erlaubt.
    Historisch belegt ist Clemens VII., der zu den schillerndsten Papstgestalten der Geschichte gehört. Von Leo X. war ihm ein riesiger Schuldenberg hinterlassen worden, so dass Clemens VII. bei seinem Amtsantritt eine leere päpstliche Kasse vorfand, was ihn zu Steuererhöhungen veranlasste, die ihm den Hass der Römer eintrugen. Des Weiteren schwankte Clemens ständig zwischen einander entgegengesetzten Standpunkten seiner beiden wichtigsten Berater hin und her, Giovanmatteo Giberti und Nicholas
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