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Die Tochter des Fälschers

Die Tochter des Fälschers

Titel: Die Tochter des Fälschers
Autoren: Carl Heigel
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sich ihrer körperlichen Vorzüge bewußt und besaß Geschmack und Kunst, dieselben durch eine gefällige, wenn auch einfache Kleidung zu heben. Sie wollte sich vom Vater verabschieden, aber die Zimmer im Parterregeschoß waren von innen verriegelt. „Als ob Jemand auf ihre Proceßgeschichten hören wollte!“ murrte sie und schlug, das Haus verlassend, den Weg durch die lange Pappelallee nach dem Schloß ein.
    Die Luft war kalt, doch um so reiner und weiter. Der festgefrorene Schnee knirschte unter den Rädern der Lastwagen und Kohlenfuhrwerke, welche heute, am Sonnabend, die Straße belebten. Aus der Stadt wallte das Geläut der katholischen und protestantischen Kirche einträchtiglich über Wald und Gefild. In den Scheunen der fürstlichen Vorwerke aber dröhnte der fröhliche Sechsachteltakt der dreschenden Knechte. Von der Heerstraße abbiegend, wendet sich ein breiter und bequemer Weg die Höhe hinan, auf welcher das Schloß mit Basteien, Thürmen und altersgrauen Gebäuden stolz sich ausbreitet, ein ehrwürdiges Denkmal vielhundertjährigen Besitzes und wohlerhaltenen Reichthums.
    Amanda wollte der Fürstin ihren Dank für die vielen Beweise zarter Aufmerksamkeit darbringen, welche dem Rendanten seit seiner Krankheit durch die edle, feinfühlende Dame zu Theil geworden waren. Allein die Herrschaft hatte den schönen Tag zum Besuch benachbarter Gutsherrn benutzt. Schnell entschlossen, schritt das Mädchen über den Schloßhof nach dem andern Flügel des Gebäudes und klopfte, nachdem sie sich mühsam über die vielen Treppen und in den langen Corridoren zurecht gefunden hatte, an die Thüre des alten Leibarztes.
    Doctor Michaelis empfing die Tochter seines Patienten mit großer Freundlichkeit, denn ihm gefiel der schroffe Gegensatz seiner eigenen Weise, die heitere, sorglose Natur Amanda’s. Auch erinnerten ihn ihre Züge an ein geliebtes Wesen. Auf einem ähnlichen Antlitz hatte sein Auge in der Jugendzeit oft und schwärmerisch geruht und eine glückliche Zukunft gelesen.
    Nach den ersten Grüßen und Fragen nöthigte er das Mädchen, in seiner Wohn- und Studirstube es sich bequem zu machen. Bücher und Schreibhefte wurden schonungslos vom Tisch geworfen, der vor dem Sopha stand.
    „Sie sollen,“ rief der Greis, „mir nicht so bald wieder entfliehen! Solch angenehmer Besuch wird mir nur selten zu Theil. Auch sind Sie müde und von der scharfen Luft erkältet. Wir wollen ein Täßchen Thee trinken und eine Stunde angenehm verplaudern.“
    Amanda erklärte sich ohne langes Zögern einverstanden, legte Hut und Mantel ab und bewegte sich frei und leicht wie daheim. Dem Diener, der auf Befehl das Nöthige zum Thee beschaffte, nahm sie alle weitere Sorge ab, mit Humor und Zärtlichkeit sich in die Rolle der Dame vom Haus schickend.
    Als der Theekessel über die Gluth im Kamin gesetzt war, sah sie sich im großen, aber überfüllten und ungeordneten Gemach um.
    „Herr Doctor,“ hub sie an und drohte schelmisch mit dem Zeigesfinger, „Sie werden bald genug Ihre Gastfreundschaft bereuen! Es ist ein gefährlicher Kobold in die Gelehrtenwohnung eingedrungen. – Sie haben da ein schönes Gemach, liebster Doctor, ehrwürdige und bequeme Möbel und tausend hübsche Gegenstände. Aber – verzeihen Sie einem naseweisen Mädchen – dies Alles könnte noch hundertmal schöner, behaglicher sein, wenn – wenn Sie mehr auf Ordnung hielten! Erlauben Sie, bester Herr Doctor, daß ich hier nur ein Viertelstündchen die Hausfrau spiele und aufräume … Haben Sie keine Sorge um den Schreibtisch,“ fügte sie lächelnd hinzu, als der Gelehrte zögernd auf das traute Chaos seines Arbeitstisches sah. „Dies Heiligthum dürfen wir nicht berühren, das weiß ich leider vom Väterchen. Uebrigens steht jenem Riesenrücken die gelehrte Verwirrung recht wohl an.“
    Der Doctor mußte lächeln und blickte wiederholt seinen alten Zimmergenossen, den verwundert starrenden Pudel an, während Amanda die Revolution in’s Werk setzte.
    Unter ihren flinken Händen schien Alles sich von selbst zum schönen Ganzen zu ordnen, so daß Michaelis in wachsender Freude darüber dienstfertig nach ihren Winken darreichte und zurecht legte. Die Bücher stellte man wohlgeordnet in die Repositorien zurück; hier ward ein schwerer, geschnitzter Lehnstuhl vor ein bestimmungsloses Tischchen gerückt und auf das letztere eine Lampe oder Vase gestellt; dort mußte ein altes Gemälde seinen Platz mit einem andern tauschen. Die große, prächtige Büste
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