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Die Tochter des Fälschers

Die Tochter des Fälschers

Titel: Die Tochter des Fälschers
Autoren: Carl Heigel
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schöner, reiner Verhältnisse? Die Räume, welche ehedem vom süßen Gelächter des Mädchens wiederhallten, erfüllt heute Weinen und Wehklagen. Der Tod, der schon die Mutter entriß, scheint auf’s Neue hier sein Fest feiern zu wollen.
    Schon im Flur begegnen die Ankommenden ängstlichen, fragenden Gesichtern. Im Gemach, das an des Hausherrn Schlafzimmer stößt, sind außer der Tochter die Vorgesetzten des Rendanten und die angesehensten Bürger versammelt. Jedermann ist für Günther zur Hülfe bereit. Bei der Ankunft des Arztes wird es still. Was wird er verkünden? Der Kranke, jetzt von den Theilnehmenden umringt, liegt schwerathmend auf seinem Lager. Wenige Stunden haben ihn furchtbar verändert. Amanda beugt sich über ihn. Er spricht nichts. Nur seine Finger hasten fieberhaft über die Decke, und seine verglasten Blicke sind nach der Thür gerichtet, durch welche der Arzt eintritt. Dann leuchten sie neubelebt und hangen an den ruhig prüfenden Augen des Doctors, als wollten sie durch den klaren Spiegel in die Seele dringen und dort einen rettenden Gedanken erfassen. Es ist still – todtenstill! Der Arzt befühlt die Brust, zählt den Puls des Kranken, lauscht seinen Athemzügen – dann schreibt er … das Kritzeln der Feder hört auf. …
    „Nur Ruhe – und es wird vorübergehen!“
    Ah! – Ein tiefer Athemzug entringt sich Allen. Amanda eilt in’s Nebengemach und bricht dort in krampfhaftes Weinen aus.
    Die Freunde, auch der Pastor, drücken Michaelis die Hand. Der Kranke aber sinkt aufseufzend in die Kissen zurück und fährt mit der Rechten langsam über die Stirn, als wollte er einen bösen Traum verlöschen. Die Bekannten und Freunde verlassen beruhigt das Haus. Nur Amanda’s Bräutigam und der Doctor bleiben am Krankenbette zurück.
    Jetzt schließen sich die Lider des Leidenden. Der Arzt winkt Reinhold. Dieser tritt in die Wohnstube und reicht dort seiner schluchzenden Braut noch einmal die Hand. Dieser stumme Händedruck aber in diesem Augenblick ist ein Schwur heiliger Treue, der Treue, welche auch über’s Grab hin dauert! – Dann folgt der junge Mann dem Doctor.
    An der Gartenthür scheiden sich ihre Wege. Noch hält Reinhold den Arzt zurück. „Hier unter dem ewigen Himmel geben Sie mir Wahrheit!
Hoffen
Sie?“
    „Ja. Es ist Hoffnung. Ich fürchte nicht die Krankheit, aber den Kranken. Wenn Sie Gewalt über ihn haben, so bestimmen Sie ihn, ruhig zu sein!“
    Damit trennen sich beide Männer. Die Nacht ist unterdeß sternhell geworden. Reinhold geht langsam in die Stadt, wo neben der Kirche im stillen Pfarrhause schon die Mutter schläft. Er aber liegt noch stundenlang auf den Knieen und sucht Trost in den heiligen Sprüchen der Bibel, während fern von ihm, hoch auf seiner Warte, der Arzt im verschlungenen Reigen der Gestirne den ewigen Gesetzen nachsinnt.
    3.
    Durch die Wohnstube des Pfarrhauses zieht am Morgen eine angenehme Wärme. Ein wolken- und nebelfreier, stahlblauer Winterhimmel blickt herein und verlockt den Canarienvogel im Bauer zum Gesang. Auf dem Tisch steht das Frühstück, das die greise Mutter mit ihren noch immer schönen Händen bereitet und dem Sohne darreicht. Er aber schlürft nicht mit gewohnter Behaglichkeit den braunen Trank, sondern kauert schweigsam im Lehnstuhl, nur dann und wann das blasse, überwachte Antlitz nach der Wanduhr erhebend. Seine Gedanken fliegen ihm schon voraus zur Braut, zum kranken Vater. Die Mutter, eine hohe, stattliche Greisin mit vollem, [ 4 ] [ 17 ] [ 18 ] „Wir haben doch Beispiele! Mein Vorgänger im Amte war ein armer Mann mit sieben Kindern. Unser Fürst – das Gericht war damals noch fürstlich – schenkte ihm einmal ein Viertelloos; es gewann. Der Beglückte wurde Landmann und besitzt jetzt ein schönes, einträgliches Gut im Gebirge.“
    „Spielst Du denn auch, Vater?“ fragte Amanda.
    Der Rendant stockte und zupfte verlegen an der Bettdecke. „Ich?“ erwiderte er zögernd. „Ich spiele nicht. Es war nur eine flüchtige Idee von mir; ein kranker, arbeitloser Mann kommt auf allerlei Pläne und Träumereien. Es wäre doch gar zu schön, wenn eines Tages der Postbote mit einem Brief käme, in dem geschrieben steht: das Loos Nummer so und so hat 7000 Thaler oder noch mehr gewonnen! Wenn das eintrifft, schenk’ ich dem Briefträger funfzig baare Thaler … das heißt, wenn ich einmal spielen sollte.“
    Er schwieg und schien nette Träume zu spinnen. Das Liebespaar flüsterte zusammen. Es ging auf zehn Uhr; da schrie der
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